Von Mag. Alexandra Straif | med.ium 11+12/2024
Ordinationsinhaber*innen können zu ihrer Unterstützung andere selbständig berufsberechtigte Ärzt*innen desselben Fachgebietes anstellen (in Einzelordinationen höchstens im Umfang eines Vollzeitäquivalents) oder aber auch als Praxisvertreter*in einsetzen. Während mit einer Anstellung zahlreiche Pflichten (z. B. Arbeitnehmer*innen-Schutz, Lohnsteuerabfuhr) und Ansprüche (z. B. auf Urlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit, Gehalt laut KV) einhergehen, beschränkt sich die Abwicklung der Praxisvertretung weitgehend auf die Zahlung des vereinbarten Vertretungshonorars.
Bei der Abgrenzung kommt es jedoch weniger auf die Bezeichnung des Rechtsverhältnisses oder den Willen der Vertragsparteien an, sondern auf die tatsächliche inhaltliche Ausgestaltung. Um nicht Gefahr zu laufen, im Zuge einer Überprüfung unangenehme Überraschungen zu erleben, sollte man die Abgrenzungskriterien zumindest in Grundzügen kennen und entsprechende Vorkehrungen treffen.
Das Ärztegesetz normiert in diesem Zusammenhang, dass die regelmäßige oder fallweise Praxisvertretung als freiberufliche ärztliche Tätigkeit gilt, sofern die vertretende und die vertretene Person nicht überwiegend gleichzeitig in der Ordination tätig sind. Demgegenüber bleibt im Anstellungsverhältnis der*die Ordinationsinhaber*in weiterhin maßgeblich zur persönlichen Berufsausübung verpflichtet und wird in der Regel parallel mit dem*der Angestellten gearbeitet.
Ausschlaggebend für die arbeitsrechtliche Einordnung ist, ob die zur Unterstützung eingesetzte Person in persönlicher Abhängigkeit zum*zur Ordinationsinhaber*in tätig wird. Typische Merkmale eines Anstellungsverhältnisses sind die Eingliederung in den Betrieb (z. B. durch fixe Arbeits- und Pausenzeiten, Arbeitspflicht, Berichtspflicht, Bereitstellung der Betriebsmittel) und die Weisungsbindung (zumindest in organisatorischer Hinsicht). Das Recht, sich jederzeit durch eine beliebige, fachlich geeignete Person vertreten zu lassen, stellt hingegen ein wichtiges Indiz für fehlende oder geringe persönliche Abhängigkeit dar. Letztendlich ist darauf abzustellen, ob die Merkmale einer Anstellung überwiegen.
Für freiberufliche Tätigkeiten schreibt das Ärztegesetz den Nachweis einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung vor. Im Falle der Praxisvertretung kommt der Behandlungsvertrag mit dem*der Vertreter*in zustande und haftet diese*r für die lege artis Behandlung. Im Anstellungsverhältnis wird im Gegensatz dazu das Verschulden der Angestellten immer dem*der Dienstgeber*in zugerechnet. Nimmt der*die geschädigte Patient*in aufgrund des Verhaltens einer*eines Angestellten den*die Ordinationsinhaber*in haftungsrechtlich in Anspruch, kann sich diese*r insbesondere bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz im Innenverhältnis bei dem*der Angestellten regressieren.
Grundlage einer Anstellung bildet der Abschluss eines echten Dienstvertrags auf Basis des Kollektivvertrags für bei niedergelassenen Ärzt*innen angestellte Ärzt*innen (aktueller KV auf unserer Homepage abrufbar). Der individuelle Dienstvertrag kann den*die Angestellte*n höchstens besserstellen und darf demgemäß keinesfalls ungünstiger sein als der Kollektivvertrag. Falls kein schriftlicher Dienstvertrag abgeschlossen wird, muss dem*der Angestellten ein Dienstzettel ausgehändigt werden, der die gesetzlichen Mindestangaben enthält. Darüber hinaus gilt allgemeines Arbeitsrecht und sind somit insbesondere die Bestimmungen des Angestelltengesetzes, des Urlaubsgesetzes, des Arbeitszeitgesetzes und des AVRAG anzuwenden.
Aus steuerrechtlicher Sicht erzielen freiberuflich tätige Ärzt*innen Einkünfte aus selbständiger Arbeit und sind daher verpflichtet, eine Anmeldung bei der SVS vorzunehmen und eine Einkommenssteuererklärung abzugeben (auch bei bloßer „Nebentätigkeit“). Im Angestelltenverhältnis trifft die Abgabenlast den*die Ordinationsinhaber*in und wird die Lohnsteuer durch diese*n direkt abgeführt. Nach Ablauf eines Kalenderjahres kann der*die Angestellte eine Arbeitnehmerveranlagung beantragen.
In Kassenordinationen ist sowohl die Anstellung von anderen selbständig berufsberechtigten Ärzt*innen, als auch die erweiterte Stellvertretung („Jobsharing“) zustimmungspflichtig (Näheres siehe Artikel im med.ium 2023/3+4 sowie 5+6).
Anstellung | Vertretung |
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Ordinationsinhaber und Angestellter sind überwiegend gleichzeitig in der Ordination tätig. | Ordinationsinhaber und Vertreter sind nicht überwiegend gleichzeitig in der Ordination tätig. |
Ein Anstellungsverhältnis ist durch die persönliche Abhängigkeit zum Dienstgeber gekennzeichnet (unselbständige Tätigkeit). | Es handelt sich um eine selbständige, freiberufliche Tätigkeit. |
Der Behandlungsvertrag wird mit dem Ordinationsinhaber abgeschlossen. | Der Behandlungsvertrag kommt mit dem Vertreter zustande. |
Der DG muss sich das Verhalten des DN als Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen, kann sich jedoch u.U. regressieren (DHG). | Der Vertreter haftet persönlich für Schäden, die im Rahmen seiner Behandlungen entstanden sind. Berufshaftpflichtversicherung verpflichtend! |
Die medizinische Letztverantwortung verbleibt explizit beim DN, er ist fachlich weisungsungebunden. In organisatorischer Hinsicht liegt hingegen jedenfalls Weisungsbindung vor. |
Mit der Freiberuflichkeit geht die fachliche Weisungsungebundenheit einher. |
Zwischen DG und DN ist ein Dienstvertrag (befristet oder unbefristet) auf Grundlage des KV abzuschließen, in dem u. a. das Gehalt festzulegen ist. | Dem Vertreter steht ein angemessenes Honorar zu (umsatzabhängiges Honorar empfehlenswert). |
Der DN erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Abgabenbelastung (insb. Lohnsteuer, Beiträge zur SV) trifft den DG. | Der Vertreter erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Abgaben (insb. Einkommensteuer) sind vom Vertreter selbst abzuführen. |
Für Rückfragen steht Ihnen die Rechtsabteilung der Ärztekammer für Salzburg gerne zur Verfügung.
Mag. Alexandra Straif
Servicebereich Recht
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