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Aus den Kurien

Anstellung von ÄrztInnen

Aus unserer Serie "Formen ärztlicher Kooperation"

Von Lukas Schweighofer LLM. oec. und Mag. Christoph Schwalb | med.ium 5+6/2023 | 28.6.2023

Durch eine Novellierung des Ärztegesetzes 2019 wurde die Möglichkeit der Anstellung von ÄrztInnen bei niedergelassenen ÄrztInnen geschaffen. In diesem Teil unserer Serie ärztlicher Zusammenarbeitsformen wollen wir die Rahmenbedingungen und Besonderheiten dieser Variante vorstellen. 

Ob Wartezeiten abbauen oder saisonal bedingte Spitzen abfedern – um als Arzt oder Ärztin bei einem Kollegen oder einer Kollegin angestellt zu sein, gibt es viele Gründe. Bis zur Novelle des Ärztegesetzes (ÄrzteG) 2019 war der Weg in die Niederlassung auch vom Eintritt in die Selbständigkeit geprägt. Nachdem es aber nun seit einigen Jahren möglich ist, auch hier angestellt tätig zu werden, haben sich die Bedingungen verändert. Die Anstellung ist dadurch einer der Bausteine, die zur Flexibilisierung und Attraktivierung der niedergelassenen Tätigkeit beitragen.

Wie auch in allen anderen Arbeitsverhältnissen hat dies Vor- und Nachteile für DienstgeberInnen und DienstnehmerInnen:

Für DienstgeberInnen bietet die Anstellung:

  • eine bessere Planbarkeit von Ressourcen,
  • eine Entlastung zu Spitzenzeiten,
  • eine einfachere Vertretung aber auch die Möglichkeit, sich direkt fachlich auszutauschen.

Dem gegenüber stehen arbeitsrechtliche Ansprüche aus einem Angestelltenverhältnis, allen voran das Entgelt aber auch z. B. Urlaubsansprüche, Krankenstände (Entgeltfortzahlung), Mutterschutz und Karenzzeiten.

DienstnehmerInnen:

  • schulden ihre Arbeitskraft und sind weisungsgebunden,
  • tragen dafür aber kein unternehmerisches Risiko.

Neben den erwähnten arbeitsrechtlichen Ansprüchen bietet ein Anstellungsverhältnis regelmäßige Beschäftigung in unterschiedlichem Ausmaß. Dies erleichtert Nebenanstellungen, den Wiedereinstieg nach Karenzzeiten bzw. ermöglicht auch atypische Beschäftigungsverhältnisse wie z. B. Teilzeit.

Gemäß § 47a ÄrzteG können in Einzelordinationen 40 Stunden pro Woche (= Vollzeitäquivalent; VZÄ) durch Anstellung erbracht werden. Ein VZÄ berechtigt zur Beschäftigung von zwei Köpfen (in Teilzeit). In Gruppenpraxen kann im Umfang der GesellschafterInnen-VZÄ angestellt werden, höchstens aber zwei VZÄ (also insgesamt vier Köpfe).

In Primärversorgungseinheiten (PVE) darf die zulässige Zahl der angestellten ÄrztInnen auch überschritten werden, sofern dadurch relevante Planungsvorgaben eingehalten werden. Eine Anstellung kann nur im Fachgebiet der OrdinationsinhaberInnen bzw. GesellschafterInnen erfolgen. Diese sind auch bei Anstellung maßgeblich zur persönlichen Berufsausübung verpflichtet, für PatientInnen ist außerdem das Recht auf freie Arztwahl sicherzustellen.

Das ÄrzteG unterscheidet zwischen der Anstellung und der regelmäßigen oder fallweisen Vertretung

Der Unterschied besteht darin, dass Angestellte in der Regel zugleich mit den DienstgeberInnen tätig sind, während VertreterInnen nicht überwiegend gleichzeitig ärztlich tätig sind. Zweiteres ist weiterhin eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit. Daher unterliegen angestellte ÄrztInnen auch der Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG).

Durch Beschluss beider Kurienversammlungen wurden in Salzburg Mindestgehälter sowie Rechte und Pflichten bei Anstellung kollektivvertraglich geregelt. Dies schafft transparente und faire Regelungen für beide Seiten und bietet auch die notwendige Hilfestellung beim Abschluss von Arbeitsverträgen.

Das im Kollektivertrag geregelte Mindestgehaltsschema stellt eine Untergrenze dar und wurde auf Basis einer Vollbeschäftigung mit 38 Wochenstunden kalkuliert (differenziert für AllgemeinmedizinerInnen und FachärztInnen). Das Entgeltist arbeitsvertraglich (im Dienstzettel) festzulegen. Das Schema unterliegt einer jährlichen Anpassung analog der Gehaltsansätze der landesvertragsbediensteten ÄrztInnen.

Dies bedeutet aber keine automatische Anpassung von Ist-Löhnen, also jenen Gehältern, die bereits vor Valorisierung ber dem Mindestgehalt lagen. Das vereinbarte Entgelt darf das Mindestgehalt des Kollektivertrags nur nicht unterschreiten. Für die Festlegung des Gehalts sind facheinschlägige Vordienstzeiten anzurechnen. Höchstens aber zehn Jahre, für Dienstverhältnisse nach Abschluss der Ausbildung (anzurechnende Dienstverhältnisse müssen über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen und zumindest sechs Monate bestanden haben).

Neben dem Gehalt ist es ratsam, auch das Ausmaß von Nebenbeschäftigungen im Arbeitsvertrag zu regeln

DienstgeberInnen haben das Recht, jene Nebenbeschäftigungen zu untersagen, die ihre wesentlichen Interessen gefährden (z. B. eine direkte Konkurrenzierung). Angestellte ÄrztInnen haben einen Fortbildungsanspruch für mindestens 50 Stunden pro Jahr, für diese sie freizustellen sind. Bei Teilzeitbeschäftigung ist dieser Anspruch zu aliquotieren (gleiches gilt für andere arbeitszeitabhängige Ansprüche wie z. B. das Entgelt).

Bei Kassenärzten sind Anstellungen in zwei Varianten möglich

Mit der Novelle des ÄrzteG wurde auch das ASVG um § 342e erweitert. Zwischen der Österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband (nun Dachverband) war dadurch ein Gesamtvertrag abzuschließen, der den Einsatz von angestellten ÄrztInnen bei VertragsärztInnen zu regeln hatte. Art, Umfang und Verrechenbarkeit von Leistungen waren dabei Regelungsinhalt. Für niedergelassene WahlärztInnen haben
nachstehende Bestimmungen selbstredend keine Relevanz.

Die erste ist die gemeinsame Abdeckung der Kassenplanstelle. Dies bedeutet für VertragsärztInnen eine Verringerung des persönlichen Arbeitsaufwands und führt nicht zur Ausweitung des Umfangs der  vertragsärztlichen Tätigkeit (insbesondere Ordinationszeiten).

Eine zweite Möglichkeit ist die Aufstockung der Kassenplanstelle. Diese ist befristet sowie auf Dauer möglich und führt zu einer Erweiterung der Ordinationszeiten (z. B. bei Erweiterung auf 1,5 sind das 27 Stunden pro Woche).

Eine unbefristete Anstellung wäre möglich, wenn eine Planstelle im Stellenplan nicht durch Ausschreibung besetzt werden kann

Die Anstellung ist in diesem Fall auf den Stellenplan entsprechend anzurechnen. Eine befristete Aufstockung kann sinnvoll sein, um Wartezeiten abzubauen oder saisonal bedingte Spitzen abzufedern.

Für eine Anstellung in einer Kassenordination ist ein Antrag notwendig, der persönliche Daten, den Beginn, die Variante und ggf. geänderte Ordinationszeiten (inkl. Anwesenheit DienstgeberIn/ DienstnehmerIn) beinhaltet. Dieser wird bei der Ärztekammer für Salzburg eingebracht. Als Vorlaufzeit sind vertraglich drei Monate vorgesehen. Bei Aufstockung der Kassenplanstelle sind das Ausmaß und die voraussichtliche Steigerung der Zahl der PatientInnen anzugeben (die Staffel der Grundvergütung wird bei Zustimmung entsprechend angepasst). Anzustellende ÄrztInnen müssen die notwendigen Nachweise über erforderliche Aus- und Fortbildungen sowie einen Strafregisterauszug beibringen.

Eine Anstellung ist erst nach Zustimmung von Kammer/Kasse möglich. Bestehen berechtigte Gründe, könnte auch ein Einwand gegen die anzustellende Person erhoben werden – dies ist jedoch nur in besonderen Fällen möglich. Vertraglich ausgeschlossen ist eine Anstellung von Personen, die das 70. Lebensjahr bereits vollendet haben. Eine Ausnahme davon gibt es nur bei drohender ärztlicher Unterversorgung. Nach Zustimmung wird der Einzelvertrag durch Zusatzvereinbarung angepasst. Durch die Anstellung entstehen keine Rechtsansprüche auf eine Nachfolge, die Zeiten werden aber bei der Reihungsliste für eine Kassenstelle berücksichtigt. Ein Wechsel von angestellten ÄrztInnen ist jederzeit möglich, sofern die Bedingungen des Vertrages eingehalten werden.

Angestellte ÄrztInnen werden den DienstgeberInnen als Erfüllungsgehilfen zugerechnet. Intern geltende Beschränkungen haben gegenüber den Versicherungsträgern und PatientInnen keine Wirkung. Angestellte können daher auch Kündigungsgründe für den Einzelvertrag setzen. Eine Kündigung bzw. Auflösung des Einzelvertrags kann aber abgewendet werden, sofern das Dienstverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt beendet wird. Eine genaue Dokumentation der Leistungen und der durchführenden Person ist gesamtvertraglich notwendig und auch ratsam. Die Abrechnung von Leistungen der angestellten ÄrztInnen erfolgt gesammelt über den Kassenvertrag.

Zusammenfassend hat die Anstellung von KollegInnen das Potential für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der Niederlassung. Die ÄKS steht für weitere Beratungen zum Thema jederzeit zur Verfügung,  Unterlagen und zusätzliche Informationen finden Sie auch auf unserer Homepage. 

Übersicht: Anstellung Arzt bei Arzt (in Kassenordinationen)

Voraussetzungen:

  • Zustimmung von Kammer (LÄK) und Kasse (ÖGK) | kein Einwand
  • gleiches Fachgebiet
  • persönliche Leistungserbringungspflicht des der OrdinationsinhaberInnen bzw. GesellschafterInnen in Gruppenpraxis
  • schriftlicher Dienstvertrag entsprechend KV zwingend
  • anzustellender Arzt darf 70. Lebensjahr nicht vollendet haben | Ausnahmegenehmigung
  • Anstellung ist bei Vertragspartner im Einzelvertrag anzuführen
  • Anstellungen bei KassenärztInnen gelten grundsätzlich befristet, können aber verlängert werden

Ablauf:

  • 3-monatige Vorlaufzeit
  • anzugeben sind jedenfalls Zeitdauer, Ausmaß, bei Aufstockung Patientenzahlsteigerung sowie Öffnungszeiten
  • gibt es mehrere Antragsteller für dieselbe Aufstockung
  • Antragszeitpunkt maßgeblich
  • Antrag des Kassenvertragsinhabers/Antragsformular

Interesse geweckt?

Sollten wir Ihr Interesse an dieser Kooperationsform geweckt haben, stehen Ihnen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Ärztekammer für Salzburg für Beratungsgespräche oder weiterführende Information gerne zur Verfügung!

Mehr zu den ärztlichen Kooperationsformen finden Sie auch online auf unserer Website (Login erforderlich): www.aeksbg.at/kooperationsformen

 

Interview

mit Dr. Stefan König, Dr. Michael Riener und Dr. Andreas Vasold

med.ium: Zur Anstellungsform Arzt bei Arzt: Wie lange betreiben Sie diese schon? Was sind Ihre Erfahrungen? Wie hat sich der Praxisalltag verändert?

Dr. König: Diese Anstellungsform (Anstellung meiner Frau) nütze ich seit fast drei Jahren. Aufgrund der zunehmenden Arbeitsbebelastung (teilweise auch COVID bedingt) und steigender Bürokratie werde ich entlastet und kann ärztliche Tätigkeiten besser aufteilen. Dies kommt vor allem auch den Patienten zu Gute.

Dr. Riener: Nach einigen Jahren in Zusammenarbeit mit Kolleginnen in Form eines Jobsharing habe ich seit Sommer 2020 die Kooperationsform Anstellung Arzt bei Arzt betrieben. Durch die Anstellung war es möglich, eine Regelmäßigkeit im Ordinationsalltag einzuführen, was sowohl für die eigene Arbeit als auch für die Patientinnen und Patienten mehr Struktur und Reduktion von Unruhefaktoren bedeutet. Sowohl die Zeiteinteilung der verschiedenen Aufgabenbereiche wie Ordinationsbetrieb, Hausbesuche, Vorsorgeuntersuchungen, therapeutische Aussprachen oder psychosomatische Gespräche als auch die Bewältigung von Akutsituationen und nicht planbaren Ereignissen können in der Zusammenarbeit besser bewältigt werden.

Dr. Vasold: Seit Anfang 2022 ist Frau Dr. Victoria Stefanitsch bei uns als angestellte Ärztin mit im Team. Zuvor war Dr. Stefanitsch schon für sechs Monate im Rahmen der Lehrpraxis in der Ausbildung zur Allgemeinmedizinerin bei uns in der Praxis. Wir arbeiten entweder zu zweit parallel oder eben alleine an verschiedenen Tagen. Im Praxisalltag sind wir nach der Pandemie bei einem Terminsystem geblieben,
hierbei werden die Patient:Innen schon vorab am Telefon informiert, welcher Arzt zum Termin anwesend ist, bzw. können hier auch Patientenwünsche berücksichtigt werden. Beim „Parallelbetrieb“ mit zwei Ärzt:Innen bleibt uns definitiv mehr Zeit für die Patienten, das ärztliche Gespräch kann qualitativ aufgewertet werden, und es bestehen Ressourcen für Akut- und Notfälle.

„Beim ‚Parallelbetrieb‘ mit zwei Ärzt:Innen bleibt uns definitiv mehr Zeit für die Patienten, das ärztliche Gespräch kann qualitativ aufgewertet werden und es bestehen Ressourcen für Akut- und Notfälle.“ (Dr. Andreas Vasold)

med.ium: Zur Beantragung: Wie groß war der Aufwand für Sie? Was war alles zu beachten? Wie haben Sie das Antragsprozedere wahrgenommen?

Dr. König: Die Beantragung verlief unkompliziert und rasch. Frau Riss von Ärztekammer war uns eine große Hilfe!

Dr. Riener: Die Antragstellung war durch die Unterstützung der Ärztekammer (Frau Riß) relativ einfach, auch die Bewilligung seitens der ÖGK erfolgte rasch. In früheren Jahren habe ich die Anträge für die Zusammenarbeit mit KollegInnen (Jobsharing) schwieriger erlebt, insbesondere die Notwendigkeit einer Begründung im Sinne einer Überlastung empfand ich als schwer erträglich, weil das einem präventiven Denken der Vermeidung einer Überlastung entgegensteht. Ich hoffe, dass sich hier die Haltung der ÖGK generell geändert hat und nicht nur aufgrund des Alters entschieden wird.

Dr. Vasold: Der administrative Aufwand für mich war minimal, Abklärung und Antrag mit Unterstützung der Ärztekammer war kein Problem. Hier gibt es meiner Meinung nach keine Hürden.

med.ium: Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile und die Nachteile?

Dr. König: Vorteile: Arbeitsaufteilung, Stressreduktion, sehr hilfreich bezüglich Zeitmanagement für Kinderbetreuung und Familienangelegenheiten. Nachteil: Aufgrund der weiterhin bestehenden degressiven
Limitierungen ist diese Anstellungsform, wirtschaftlich gesehen, ein Nachteil.

Dr. Riener: Die Zusammenarbeit mit KollegInnen hat viele Vorteile: Ruhigeres Arbeiten durch Abwechslung in Akutsituationen, ebenso Abwechslung in anderen Aufgabenbereichen sowie deren bessere Planbarkeit wie schon unter Punkt 1 angeführt. Insgesamt hat gegenüber den Zeiten des „Einzelkämpfertums“ der Druck abgenommen. Auch der kollegiale Austausch in verschiedenen Fragen ist wertvoll und hilfreich. Die Nachteile sind aufgrund der Tarifgestaltung finanzieller Natur.

Dr. Vasold: Die Vorteile aus meiner Sicht sind:

  • Aufwertung des ärztlichen Gesprächs durch mehr Zeitressourcen, Reserve für Akut- und Notfälle, Visiten etc.
  • Zeitgewinn für den anstellenden Arzt: Wenn die Kollegin einen Praxistag allein bewältigt, nutze ich die gewonnene Zeit privat oder auch für Fortbildungen, Visiten oder administrative Tätigkeiten.
  • Rücksprache mit der Kollegin – Gemeinsame Besprechung von Patienten, fachlicher Austausch.

Nachteile gibt’s aus meiner Sicht derzeit keine – solange man sich mit dem Kollegen/der Kollegin gut versteht und fachlich und menschlich zusammenarbeiten kann. Die Gehaltskosten sind natürlich zu tragen, aber der Zeit- und Qualitätsgewinn wiegt diese Ausgabe für mich eindeutig auf.