Von Dr. Johannes Oswald, Mag. Christoph Schwalb | med.ium 9+10/2025
med.ium: Sie haben am 1. September 2025 zu diesem Thema einen Gastkommentar in „Der Standard“ veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Dr. Oswald: Ich habe die Situation im Bundesland Salzburg gesehen, wo sich KPJ-Studierende und Kolleginnen und Kollegen, die im Rahmen ihrer Turnusausbildung das Haus wechseln müssen, heuer wirklich schwer tun, überhaupt irgendwo eine Stelle zu finden. Und dann kam mehrfach die Forderung der Frau Gesundheitsstaatssekretärin Königsberger-Ludwig nach mehr Medizinstudienplätzen in den Medien. Ich wollte Alternativen aufzeigen.
med.ium: Woran erkennen Sie die Problematik hinsichtlich Mängel im Gesundheitssystem bzw. ärztliche Ausbildung?
Dr. Oswald: Es gibt Schwierigkeiten, Kolleginnen und Kollegen für Kassenverträge in einigen Fächern zu gewinnen, und auch in den Spitälern gibt es in einzelnen Fächern weiterhin einen Nachwuchsmangel (z. B. Psychiatrie). Und die Wartezeiten sind für Patientinnen und Patienten vor allem in manchen spezialisierten Fächern im Kassenbereich extrem lang. Dagegen kann und soll man etwas unternehmen und ich hoffe, dass das der Grund ist, warum die Politik immer wieder mehr Medizinstudienplätze einfordert. Was ich absolut nicht hoffe, ist, dass sich die Politik die Zeiten der Ärzteschwemme zurückwünscht, in denen man Turnusärztinnen und -ärzten fast alles zumuten konnte, da sie froh waren überhaupt einen Job zu haben. Falls es aber doch wieder zumindest in diese Richtung gehen sollte, sehe ich hier vor allem eine große Aufgabe für uns als Ärztekammer, uns unabhängig von der Arbeitsmarktsituation für die jungen und angehenden Kolleginnen und Kollegen gegenüber Politik und Spitalsträgern einzusetzen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen zu bekämpfen.
med.ium: Hat man bereits versucht, diese Probleme anzugehen?
Dr. Oswald: Ja, man hat die Anzahl der Kassenstellen zumindest geringfügig erhöht und man hat die Arbeitsbedingungen in den Spitälern dankenswerterweise verbessert. Und man hat auch bereits die Anzahl der Medizinstudienplätze erhöht. Vor zum Beispiel zehn Jahren standen 2015 in der Human- und Zahnmedizin an den öffentlichen Universitäten in Österreich 1.560 Studienplätze für Erstsemestrige zur Verfügung, heuer – 2025 – sind es 1900. Darüber hinaus ist auch die Anzahl der Studienplätze an den inländischen Privatuniversitäten deutlich angewachsen. Das ergibt insgesamt einen massiven Ausbau der Studienplätze, über den aber irgendwie nicht viel geredet wird. Und die Effekte davon schlagen mittlerweile durch: Die Zeiten, in denen man sich nach dem Studium quasi frei aussuchen konnte, wo man eine Stelle annimmt, sind vorbei. Zumindest seit dem Frühjahr ist eine Bewerbung um einen Basisausbildungsplatz im Bundesland Salzburg für 2025 kaum noch möglich. Alle Träger können ihre Basis- und Allgemeinmedizin-Turnusstellen besetzen, egal ob in der Stadt oder am Land. Einzig in ein paar Mangelfächern gibt es noch Nachwuchsprobleme. Die Salzburger Landeskliniken (SALK) als größter Ausbildungsträger halten sich aufgrund der finanziellen Lage wieder strenger an den vorgegebenen Stellenplan und führen mittlerweile eine beträchtliche Warteliste. Die Situation hat sich im Bundesland also im Vergleich zu vor einigen Jahren deutlich gewandelt!
med.ium: Was würde passieren, wenn man die Studienplätze weiter erhöht?
Dr. Oswald: Es wäre eine absurde Maßnahme. Die Wartezeiten auf Ausbildungsplätze würden sich weiter verlängern und es würden noch mehr Medizinabsolventinnen und -absolventen in andere Bundesländer und ins Ausland abwandern.
med.ium: Worin sehen Sie die Lösungen?
Dr. Oswald: Es geht um den Einsatz der vorhandenen und weiter anwachsenden Ärzteschaft im Land. Hier spielen natürlich die fehlende Attraktivität von Kassenstellen und die fehlende Struktur, wohin sich jemand mit den jeweiligen Gesundheitsproblemen am besten wenden soll, eine große Rolle. Wenn die Politik aber etwas im Bereich der ärztlichen Ausbildung verbessern möchte, dann sollte sie den Flaschenhals bei den Ausbildungsplätzen in den Spitälern beheben. Den könnte man durch gezielte Erhöhung der Ausbildungsplätze verbessern, solange man es nicht übertreibt und auf eine gute Ausbildungsqualität achtet. In der Ausbildungsstellenplanung sollte vor allem der niedergelassene Bereich verstärkt mitgedacht werden. Das Interesse an Ausbildungsstellen ist zum Beispiel im Fach Kinderheilkunde definitiv hoch. Trotzdem besteht in diesem Fach ein großer Bedarf nach Kassenärztinnen und -ärzten, weshalb die Ausbildungsstellen vor ein paar Jahren erweitert wurden. Das sollte als Vorbild für eine gezielte, bedarfsorientierte Planung von Ausbildungsstellen dienen.
Und die Ausbildungskapazitäten sind auch deshalb limitiert, weil nach wie vor fast die gesamte ärztliche Ausbildung in den öffentlichen Spitälern stattfindet. Deshalb sollte ärztliche Ausbildung in Zukunft auch verstärkt in Ordinationen stattfinden, dort wären weitere Kapazitäten vorhanden. Die 2026 startende, neue Facharztausbildung für Allgemeinmedizin setzt hier Maßstäbe, was den Umfang der Ausbildung im niedergelassenen Bereich betrifft. Aber es gäbe noch viel mehr Fächer, in denen ein Teil der Ausbildung in Ordinationen statt im Krankenhaus stattfinden könnte. Das setzt aber natürlich eine entsprechende Finanzierung voraus. Hier gibt es in Salzburg Pilotprojekte für die Fächer Psychiatrie und Kinderheilkunde. Wenn man diese Möglichkeit dauerhaft mit weiteren Fächern einführen und damit auch die Anzahl der Ausbildungsstellen in gefragten Fächern erhöhen könnte, wäre das eine Chance, einerseits mehr Kolleginnen und Kollegen auszubilden und gleichzeitig diesen die Arbeit in der (Kassen-)Praxis näherzubringen. Es gäbe also Möglichkeiten, wo die Politik gemeinsam mit der Ärzteschaft Verbesserungen setzen könnte, die letztlich den Patientinnen und Patienten zugutekommen würden.
med.ium: Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren Gastkommentar im „Standard“ erhalten?
Dr. Oswald: Tatsächlich habe ich überwiegend positive Reaktionen erhalten, vielleicht auch weil die postgraduelle, ärztliche Ausbildung im öffentlichen Diskurs so selten vorkommt. Ich bin schon fast ein bisschen enttäuscht, dass ich nicht – wie andere Kommentatoren – im berüchtigten Standard-Forum zerrissen wurde. (lacht)
Dr. Johannes Oswald ist Obmann der Sektion für Ausbildungsärztinnen und -ärzte der Ärztekammer Salzburg. Er ist als Allgemeinmediziner auch 2. Vizepräsident der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM) und arbeitet als Vertretungsarzt sowie an der Paracelsus Medizinischen Universität (PMU).