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Aus der Kammer

PVE-Vertrag neu verbessert Rahmenbedingungen

Wir zeigen die Vorteile und Verbesserungen für diese vielversprechende medizinische Versorgungsform auf, die ÖGK und Ärztekammer kürzlich vertraglich beschlossen haben.

Lukas Schweighofer LLM. oec. und Mag. Christoph Schwalb | med.ium 7+8/2023 | 11.8.2023

Ein weiterer Beitrag, um die Arbeitsbedingungen für niedergelassene Ärzte und Ärztinnen ihren individuellen Erwartungen anzupassen, wohnortnahe Versorgung von Patientinnen und Patienten sicherzustellen und multiprofessionelle Behandlungsteams auf die Beine zu stellen. Die Primärversorgungseinrichtungen (PVE) repräsentieren eine weitere Säule der medizinischen Versorgung. Der von Salzburger ÖGK und Ärztekammer Ende Juni geschlossene Vertrag zur Neuregelung der PVE soll das Angebot weiter verbessern und vorantreiben.

„Die Entwicklung der PVEs ist verzögert angelaufen. Nicht nur die für die erste Umsetzungsphase zur Unzeit aufkommende Pandemie hat gebremst,  sondern die PVEs stellten auch für die Sozialversicherung, für die Ärztekammer und die Ärzteschaft Neuland dar.“
ÄK-Präsident Dr. Karl Forstner

Bereits im Frühjahr und Sommer 2021 wurden im Bundesland Salzburg die ersten zwei PVE in St. Gilgen und Saalfelden gegründet. Drei weitere hätten in Kürze folgen sollen, doch die Corona-Pandemie bremste die Entwicklung der neuartigen Organisationsform und auch der ursprüngliche Vertrag zeigte in der Praxis Schwächen. Jetzt haben Ärztekammer und Sozialversicherung reagiert und eine Neufassung des Vertrages präsentiert.

„Das Gründen einer für ein PVE-Zentrum erforderlichen Gruppenpraxis – was im Grunde einer wirtschaftlichen ‚Heirat‘ gleichkommt – ist ohnehin eine große Herausforderung für die Beteiligten, weshalb diese neuen Rahmenbedingungen dringend erforderlich waren.“
Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte und Vizepräsident Dr. Christoph Fürthauer

Die Änderungen betreffen vor allem den Abbau der bürokratischen Hürden und ermöglichen eine gute Berechenbarkeit der wirtschaftlichen Auswirkungen. „Das Gründen einer für ein PVE-Zentrum erforderlichen
Gruppenpraxis – was im Grunde einer wirtschaftlichen ‚Heirat‘ gleichkommt – ist ohnehin eine große Herausforderung für die Beteiligten, weshalb diese neuen Rahmenbedingungen dringend erforderlich waren“, so Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte und Vizepräsident Dr. Christoph Fürthauer.

Um niederschwellig für Patienten erreichbar zu sein, ist die Wohnortnähe ein wesentlicher Aspekt der Primärversorgung. Deshalb bilden Einzelordinationen auch weiterhin das Rückgrat der hausärztlichen Versorgung. „Mit dem neuen PVE-Gesamtvertrag können aber auch die Patientinnen und Patienten von sich zu einem PVE-Netzwerk zusammenschließenden Einzelordinationen von dem strukturierten  erweiterten Angebot der Zusammenarbeit zwischen den Ordinationen profitieren – gemeinsam mit der wertvollen Unterstützung nichtärztlicher Gesundheitsberufe. Ein wesentliches Hemmnis, nämlich die bisherige wirtschaftliche Abhängigkeit der Netzwerk-Ordinationen untereinander, konnte beseitigt werden“, so Fürthauer.

„Vorteile von PVEs für die PatientInnen liegen auf der Hand.“
ÖGK-Obmann Thom Kinberger

Ein Alleinstellungsmerkmal für das Bundesland Salzburg ist auch, dass sich an einer PVE-Gründung interessierte Ordinationen initiativ bewerben können.

Im Folgenden finden Sie nun die Regelungen zu PVE:

Nutzen und Ziele

In PVE arbeiten mehrere AllgemeinmedizinerInnen sowie verschiedene Gesundheits- und Sozialberufe eng im Team zusammen. Dies soll die Qualität der Betreuung durch ein multiprofessionelles Team erhöhen und damit mehr Zeit für Gesprächsmedizin ermöglichen. PVE sollen zu einer Entlastung der Spitalsambulanzen führen und die Gesundheitsförderung bzw. Prävention stärken. Sie werden im Rahmen des
gültigen Stellenplans errichtet und sollen in erster Linie aus bestehenden Strukturen entwickelt werden. PVE können als Netzwerk oder Zentrum organisatorisch ausgestaltet sein.

Organisation PVE

PVE bestehen im Minimum aus einem Kernteam und einem erweiterten Team. Das Kernteam umfasst mindestens zwei ÄrztInnen für Allgemeinmedizin, eine diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson und eine Ordinationsassistenz. Das erweiterte Team umfasst andere Gesundheits- und Sozialberufe wie Sozialarbeiter, Psycho- und Physiotherapeuten, Hebammen, Logopäden, Ergotherapeuten, klinische
Psychologen und mobile Dienste. Aus diesen Berufsgruppen müssen zumindest zwei im PVE vertreten sein. Aufgrund einer Novelle des Primärversorgungsgesetzes im Juli 2023 kann das ärztliche Kernteam nun auch ausschließlich aus mindestens zwei FachärztInnen für Kinder- und Jugendheilkunde bestehen („Kinder-PVE“). Die PVE können auch durch ein eigenes Management organisatorisch unterstützt werden.

Einbindung erweitertes Team

Für die Finanzierung der anderen Berufsgruppen wurden vertraglich drei Varianten festgelegt:

  1. Kooperation mit bestehenden LeistungserbringerInnen aus bestehenden Sachleistungssystemen der Kassen und des Landes (z. B. selbständig tätige Vertragsphysiotherapeuten)
  2. Anstellung bzw. freiberufliche Tätigkeit (Werkvertrag) und Abrechnung der Einzelleistungen durch die PVE. Dazu werden im PVE-Vertrag Sonderverrechnungsbefugnisse aufgenommen.
  3. Bereitstellung durch die PVE und Durchfinanzierung der Personalkosten durch die Kasse. Die Gehälter werden analog zu bestehenden Schemen aus dem Landesdienst übernommen.

Zentrum und Netzwerk

PVE können als Zentrum (ein Standort) oder als Netzwerk (an mehreren Standorten) errichtet werden. Dislozierte Standorte bei Zentren sind möglich. Netzwerke müssen grundsätzlich drei ärztliche Ordinationen umfassen und in einem räumlichen Zusammenhang stehen. PVE müssen PatientInnen gegenüber als Einheit auftreten, dies gilt auch für Netzwerke. Das bedeutet einen gemeinsamer Außenauftritt und auch eine elektronische Vernetzung (Dokumentation und Informationsaustausch). Netzwerke müssen für den Einsatz des erweiterten Teams an allen Standorten sorgen. In der Stadt Salzburg können Netzwerke nur im Einvernehmen mit der Kammer und Kasse entstehen.

Auswahl und Invertragnahme

PVE werden auf Einladung der Kasse in einer definierten Region ausgeschrieben. Interessierte VertragsärztInnen können sich daraufhin bewerben. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit von „Initiativbewerbungen“. Zumindest zwei EinzelvertragsärztInnen oder eine Vertragsgruppenpraxis können um Invertragnahme ansuchen. Bewerbungen bzw. Ansuchen sind bei der Ärztekammer für Salzburg einzubringen, welche die formalen Voraussetzungen prüft. Entscheidend für eine Invertragnahme ist das Versorgungskonzept. Dieses definiert den Schwerpunkt der Versorgung bzw. die Versorgungsziele, beschreibt organisatorische Rahmenbedingungen und Abläufe, das Qualitätsmanagement bzw. Informations- und Datenmanagement, den Außenauftritt und vor allem das Leistungsangebot (Basisaufgaben und spezielle Leistungen). Das Versorgungskonzept wird von der Kasse geprüft.

Abrechnung und Honorierung

PVE die als Zentrum errichtet wurden, rechnen über eine eigene Vertragspartnernummer ab. Netzwerke können separat abrechnen. Die Honorierung besteht aus drei Teilen: Grundpauschale, Fallpauschalen und Einzelleistungen. Die Grundpauschale stellt eine kontaktunabhängige Grundvergütung, insbesondere zur Abgeltung PVE spezifischer Personal- und Sachmehrkosten dar. Die Fallpauschale entspricht der kontaktabhängigen Vergütung pro Patient und Quartal für Leistungen des Kernteams laut Versorgungsauftrag bzw. Leistungsspektrum (in diese Fallpauschale wurden Leistungen wie z. B. die derzeitige Grundvergütung oder die therapeutische Aussprache hineingerechnet). Darüber hinaus sind alle Einzelleistungen aus den bestehenden Honorartarifen verrechenbar, sofern sie nicht in die Fallpauschale  einberechnet wurden. Die Fallhonorierung für sogenannte „B-Scheine“ erfolgt weiterhin über die Ärztekammer für Salzburg. SVS und BVAEB honorieren nach deren bestehender Honorarordnung, wobei der hausärztliche Koordinationszuschlag erhöht wird.

Förderungen für PVE

Österreich erhält im Rahmen des EU-Aufbauplans 100 Mio. Euro, um die Primärversorgung auszubauen. Es wurden dazu zwei Förderrichtlinien erstellt:

Gründungsförderung PVE (Typ A)

  • Antragsteller: zukünftige BetreiberInnen von PVE (auch Besitzgesellschaften)
  • Förderbar: Kosten für Neubau (nicht unbebaute Grundstücke!), bauliche Adaptierungen, Instandsetzung, Erwerb von Räumlichkeiten, (medizinische) Ausstattung, Beratungskosten etc.
  • Förderhöhe: 50 Prozent der eingereichten und genehmigten förderbaren Kosten (max. 1,6 Mio. Euro)

Projektförderung PVE (Typ B)

  • Antragsteller: BetreiberInnen von PVE mit PV-Einzelvertrag (auch Besitzgesellschaften)
  • Förderbar: Kosten für Neu-, Um- oder Ausbaue einer PVE, Kosten für medizinische Ausstattung, Fort- und Weiterbildungen, E-Mobilität, andere Ausstattung (z. B. Laptop oder Beamer)
  • Förderhöhe: 50 Prozent der eingereichten und genehmigten förderbaren Kosten (max. 500.000 Euro)

Entwicklung der PVE

PVE sollen einer Evaluierung und einem zeitlich befristeten Monitoring unterliegen. Die Ausgestaltung dessen ist mit der Kammer zu vereinbaren. Das Monitoring umfasst die quartalsweise Entwicklung von Fallzahlen, Honoraren und dem Leistungsangebot. Mit den Teams einer PVE sollen auch Befragungen durchgeführt werden. Im Rahmen einer Evaluierung soll vor allem die Wirkung von PVE auf das Salzburger Gesundheitssystem beleuchtet werden (Folgekosten, Entlastung Spitäler, Polypharmazie etc.).