Von Mag.a Isabell Feil | med.ium 3+4/2025
Bei der Verwendung von Arzneimitteln im nicht zugelassenen Bereich sind folgende Abstufungen zu unterscheiden:
1. Nicht zugelassenes Arzneimittel, bei dem die Zulassung noch nicht erteilt oder nicht beantragt, oder die Verwendung unter bestimmten Bedingungen behördlich untersagt wurde.
2. Die Verwendung eines an sich zugelassenen Arzneimittels in einem Indikationsgebiet, für das keine Zulassung besteht („Off-Label-Use“).
Die zweite Abstufung, der sogenannte „Off-Label-Use“, ist grundsätzlich nicht verboten, bedarf jedoch erhöhter Sorgfalts- und besonderer Aufklärungspflichten. Die ärztliche Anwendung setzt nicht zwingend dessen arzneimittelrechtliche Zulassung voraus, da sich diese ausschließlich auf das Inverkehrbringen bezieht. Die Zulässigkeit der Anwendung ist im konkreten Fall danach zu beurteilen, ob diese nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft medizinisch indiziert ist. Die Verantwortung dafür trägt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt. Nach § 49 ÄrzteG hat die Ärztin oder der Arzt nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards, das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.
Verwendet die Ärztin oder der Arzt ein Arzneimittel außerhalb der zugelassenen Indikation, stellt sich die Frage, ob sie oder er in diesem Falle die alleinige Haftung für das Produkt übernimmt. Hat der Hersteller der Verwendung in dieser Indikation widersprochen oder sind keine Studien, die die Wirksamkeit belegen, verfügbar, liegt unbestreitbar „kein bestimmungsgemäßer“ Gebrauch vor, der für eine mögliche Herstellerhaftung erforderlich ist. In diesem Fall ist die Patientin oder der Patient darüber aufzuklären, dass das Unternehmen für die bei der Patientin oder beim Patienten eingetretenen Schäden nicht haften wird. Die Beweissituation der Ärztin oder des Arztes verschärft sich, wenn im Rahmen dieser Indikation ein alternatives, zugelassenes Arzneimittel verfügbar ist. In diesem Fall wird die Haftpflichtversicherung der Ärztin oder des Arztes eine grob fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung der Ärztin oder des Arztes prüfen. Daher kommt bei einer „Off-Label-Anwendung“ eines Arzneimittels der PatientInneninformation und PatientInnenaufklärung eine wesentliche Bedeutung zu. Eine mündlich erfolgte Aufklärung und Einwilligung, die entsprechend schriftlich dokumentiert ist, reicht laut OGH aus. Die Ärztin oder der Arzt hat im Rahmen der ärztlichen Therapieverantwortung insbesondere hierfür auch die medizinische und therapeutische Notwendigkeit, nach dem aktuellen Stand der Medizin (nach bestem medizinischem Wissen unter Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz) im Einzelfall zu begründen.
In der Pädiatrie ist der „Off-Label-Use“ verbreitet, da klinische Studien zur Anwendung von Arzneimitteln an Kindern und Jugendlichen oft fehlen. Die meisten Arzneimittel, die derzeit zur Behandlung kranker Kinder benötigt werden, sind nicht für Kinder zugelassen. Etwa 40 Prozent der Medikamente in der ambulanten Behandlung von Kindern, 70 Prozent in der pädiatrischen Intensivmedizin und 90 Prozent in der
Neonatologie müssen außerhalb der zugelassenen Indikationen (“off-label”) verwendet werden. Die Häufigkeit des „Off-Label-Einsatzes“ steigt mit der Komplexität der Erkrankung, der Anzahl der pro Kind eingesetzten Medikamente und mit jüngerem Alter. Problematisch ist, dass durch die fehlenden Daten die potenziellen Arzneimittelwechselwirkungen und Kontraindikationen unbekannt sind.
Zur Kostenerstattung beim „Off-Label-Use“ ist anzuführen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „nicht konventionelle Therapien“ nicht gänzlich von der Kostenerstattungspflicht der Krankenversicherung ausgenommen sind. Auch der OGH erkannte, dass die Erstattung der Kosten einer erfolgreichen Therapie nicht mit der bloßen Begründung abgelehnt werden kann, dass die angewandte
Arzneispezialität in Österreich nicht zugelassen ist beziehungsweise die Verwendung im Inland untersagt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob eine gleich teure oder sogar teurere, aber wissenschaftlich anerkannte sonstige zumutbare Behandlung mit schulmedizinisch anerkannten Methoden versucht wurde und diese nicht erfolgversprechend gewesen wäre.
Kann nämlich schon mit derartigen schulmedizinischen Methoden das Auslangen gefunden werden, dann kommt der Ersatz der Kosten einer „Außenseitermethode“ nicht in Betracht und ist dies jedenfalls als reine Privatleistung zu qualifizieren.
Für Rückfragen steht Ihnen die Rechtsabteilung der Ärztekammer für Salzburg gerne zur Verfügung.
Mag.a Isabell Feil
Servicebereich Recht
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