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Aus den Kurien

Medizin unplugged

Vernetzung, Karriere und Podiumsdiskussion: Zahlreiche ÄrztInnen haben sich in der Salzburger Panzerhalle zur ersten „Medizin unplugged“-Abendfortbildung getroffen.

Von Mag. Christoph Schwalb | med.ium 9+10/2023 | 16.10.2023

Um Salzburger ÄrztInnen wertvolle Einblicke zu geben, hat die Junge Kammer Ende September unter dem Titel „Medizin Unplugged: Erfahrungen, Wege, Möglichkeiten“ zur Podiumsdiskussion in die Panzerhalle eingeladen. Über 50 ÄrztInnen nutzten die Fortbildung als hervorragende Gelegenheit, sich zu vernetzen und verschiedene Karrierewege in der Medizin zu erkunden. Im Loft der Eventlocation konnten sich die Gäste fachübergreifend einen Eindruck der ärztlichen Laufbahn frei von vorgefassten Erwartungen und Stereotypen machen.

In einer spannenden Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Matthias Vavrovsky (Vorsitzender des Ausbildungsausschusses) und Dr. Maximilian Krecu (Turnusärztereferent und Spitalsärztevertreter-Stellvertreter), berichteten niedergelassene und angestellte Ärztinnen und Ärzte aus ihrem Arbeitsalltag. Sie schilderten den zuhörenden KollegInnen ihre Motivation, jeden Tag aufs Neue in der Medizin tätig sein zu wollen, gaben wertvolle Ratschläge und offenbarten persönliche Erfahrungen und Herausforderungen.

Allgemeinmediziner Dr. Fabian Waechter erzählte, wie er nach Abstechern im Rettungsdienst und in der Pharmaindustrie nun als spätberufener Hausarzt sein berufliches Glück gefunden hat. Für ihn, dessen Großmutter bereits Ärztin war, ist es ein sehr schöner Job. Der Beruf des Hausarztes bietet ihm die ideale Plattform, ständig Neues zu lernen und sich mit einem breiten Spektrum medizinischer Themen auseinanderzusetzen. Dabei betonte er die Bedeutung von Vernetzung und Mentoring für die Karriere. Als Rat an junge MedizinerInnen sagte er: „Um herauszufinden, wie und wo man später arbeiten möchte, sollte man seine Kollegen aufmerksam beobachten und von ihnen lernen.“

Oberärztin Dr. Laura Braumann, Fachärztin für Orthopädie und Traumatologie, die sowohl im Krankenhaus Oberndorf als auch in einer Wahlarztordination tätig ist, sprach über das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit. Trotz ihrer vollen Anstellung im Krankenhaus beschreibt sie die Doppelbelastung gelegentlich als herausfordernd. Dennoch sieht sie Synergien aus beiden Tätigkeitsfeldern, die für ihre
aktuelle Situation und auch für ihre Patientenversorgung vorteilhaft sind. Sie gibt auch zu bedenken, dass für viele in unterschiedlichen Lebenssituationen eine kombinierte Tätigkeit leichter zu vereinbaren sein könnte, wenn diese in einem gesunden Verhältnis zur Arbeit im Krankenhaus steht.

Den niedergelassenen Hausarzt Dr. Daniel Gigler begeistert die Abwechslung an seinem Beruf. Bevor er seine Ordination eröffnete, hatte er sich „bei anderen KollegInnen die Ordinationen angeschaut und mit ihnen gesprochen“. Sein Kollege Dr. Waechter lobte die „top Unterstützung durch die Ärztekammer“, die ihm bei seiner Ordinationseröffnung sehr geholfen habe. Er habe alle Fortbildungen besucht und mit vielen Kollegen gesprochen. 

„Für alle RednerInnen ist die Balance zwischen Beruf und Familie von großer Bedeutung.“

Die Fachärztin für Innere Medizin Priv.-Doz. Dr. Teresa Magnes ist als Oberärztin auf der Onkologie der Salzburger Landeskliniken (SALK) tätig. Sie bevorzugt die Arbeit im Krankenhaus, da sie die hochspezialisierte Medizin und die Möglichkeiten klinischer Forschung besonders schätzt. Zudem betonte sie die positive Rolle von Mentoren in ihrer beruflichen Entwicklung und äußerte den Wunsch
nach weiteren weiblichen Vorbildern, insbesondere in der hochspezialisierten Medizin.

Auch die angestellte Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin Dr. Judith Claus fühlt sich in ihrer Position in den SALK sehr wohl und engagiert sich immer mehr auch in Arbeitsorganisationen und -abläufen.

Für alle RednerInnen ist die Balance zwischen Beruf und Familie von großer Bedeutung. Dr. Vavrovsky weist darauf hin, dass sich mit 65 % Ausbildungsärztinnen das Geschlechterverhältnis spürbar verschoben hat. Zwar nutzen immer mehr männliche Kollegen die Möglichkeit kurzzeitiger Karenzen, dennoch liegt die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung häufig weiterhin bei den Ärztinnen. „Kinder haben definitiv einen Einfluss auf die Karriere“, stellt Dr. Claus fest. Sie betont, dass Väter längere Zeit mit der Kinderbetreuung verbringen sollten, um eine Gleichstellung zwischen Mann und Frau zu fördern. „Beide Partner sollten gelegentlich berufliche Kompromisse eingehen“, so Dr. Claus, um negative Auswirkungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu minimieren.

Beim Thema Personalmangel herrscht unter allen DiskussionsteilnehmerInnen Einigkeit: Vorbilder und engagiertes Personal im Krankenhaus sind essenziell. „Krankenhäuser müssen erkennen, wie wichtig es ist, in ihr Personal zu investieren, um als Arbeitgeber weiterhin attraktiv zu bleiben“, betont Dr. Waechter. Die Wechselwirkung zwischen gerechter Bezahlung und der Attraktivität eines Arbeitgebers zeigt sich sowohl im Bereich der Niedergelassenen als auch bei Angestellten. Im niedergelassenen Sektor ist es besonders wichtig, dass die Ärztekammer die Honorare effektiv mit den Kassen verhandelt. „Als niedergelassene/r kann man gut leben, wenn man in erster Linie Mediziner/in ist, aber ebenso die Rolle des/der Unternehmer/in nicht vernachlässigt“, fügt Dr. Waechter hinzu.

Auch für diejenigen, die als Angestellte im Krankenhaus tätig sind, sollte das Gehalt angemessen und der Verantwortung entsprechend sein. Dies gehört zu den „Hygienefaktoren“, betont Dr. Claus. Insbesondere in Salzburg, wo hohe Lebenshaltungskosten anfallen und ein Wettbewerb mit Deutschland und der Schweiz besteht, sind eine qualitativ hochwertige Ausbildung und ein entsprechendes Gehalt von großer Bedeutung, schließt Dr. Vavrovsky.

Zufrieden zeigten sich auch die Gäste. Nina Hofmann, Ärztin in Basisausbildung hat die Fortbildung sehr gefallen: „Man lernt neue Leute, Meinungen und Perspektiven kennen und denkt über  Dinge nach, an die man früher nicht gedacht hat.“ Besonders die angesprochene Kombination aus Familie und Karriere findet Hoffmann wichtig, diese Thematik gilt es auch in Zukunft zu forcieren.

Julia Hirscher, die Medizin in Innsbruck studiert hat und ab Herbst ihre Basisausbildung an der SALK beginnt, ist von der Ärztekammer Salzburg auf Medizin unplugged aufmerksam emacht worden. Fachgebiete, Frauen, Männer, Krankenhäuser und Ordinationen: sehr beeindruckend hat Hirscher die Diversität und Perspektiven der SprecherInnen gefunden. Sie hat den Austausch und das Netzwerken mit den jungen MedizinerInnen als sehr wichtig empfunden. Gerade wenn man wie sie neu in Salzburg sei, sei es gut, hier und in der Klinik neue Leute kennenzulernen, um den Diskurs mit anderen Ärzten zu
finden.

Der Jungen Kammer ist es gelungen, den JungärztInnen die vielfältigen, in ihrer Karriere zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aufzuzeigen und sich auf Augenhöhe auszutauschen. In einer offenen und entspannten Atmosphäre gelingt es am besten, von den Erfahrungen anderer zu lernen und sich gegenseitig zu inspirieren. Die Organisatoren der Veranstaltung, Dr. Matthias Vavrovsky, Dr. Maximilian Krecu und Dr. Georg Hagn, resümieren, dass das Konzept der Veranstaltung vielleicht zunächst ungewohnt gewesen sein mag. Doch die Diskussionen und Beiträge haben verdeutlicht, wie relevant die Themen Karriere und Möglichkeiten für ÄrztInnen in unterschiedlichen Lebensphasen sind. Ihrer Meinung nach verdient es die Veranstaltungsreihe, auch in Zukunft fortgesetzt zu werden. Bei Musik, Essen und Getränken haben die JungmedizinerInnen den anregenden Abend der ersten Medizin unplugged-Veranstaltung ausklingen lassen. 

Stimmen

Dr. Fabian Waechter, niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin aus Salzburg:

Die Veranstaltung hat mir sehr gut gefallen, ein Abend ohne zu starren Rahmen, ein offenes Format mit so unterschiedlichen Gästen, die mitdiskutiert haben. Ich habe das wirklich gut gefunden. Ich glaube, dass die Frage wichtig ist, was wir in der Zukunft machen, wenn man zu wenige Ärzte hat: Wie findet man Personal, einerseits für die Krankenhäuser, und andererseits – das ist mein Herzensthema – wie bringt man wieder mehr Menschen in die Allgemeinmedizin? Für mich ist es der schönste Job der Welt – vielleicht nicht für jedermann –, aber wenn man der oder die Richtige ist, gibt es eigentlich nichts Schöneres.

Dr. Laura Braumann, Oberärztin für Orthopädie und Traumatologie im Krankenhaus Oberndorf:

Ich finde es super, dass sich junge Leute – die motiviert sind, in alle Richtungen zu gehen – austauschen und Ratschläge holen, die man in der Klinik vielleicht nicht bekommt. Ganz wichtig ist, dass sich die nächste Generation mehr vernetzt. Mir ist heute aufgefallen, dass man Veranstaltungen wie das Praxisgründungsseminar mehrfach im Jahr anbieten sollte, weil einmal im Jahr oft nicht den Lebensabschnitt trifft, an dem man an eine Ordination denkt. Was mir selbst bisher abgegangen ist, ist das Thema der Wirtschaftlichkeit einer Ordination.

Dr. Daniel Gigler, niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin aus Thalgau:

Die Veranstaltung war sehr informativ, gerade für junge Kolleginnen und Kollegen, um mehrere Karrierewege zu sehen. Eine ideale Möglichkeit, um sich zu vernetzen und das ganz niederschwellig wieder – nach der Pandemie – zu etablieren. Gut wäre, auch schon zu Beginn der Ausbildung in den verschiedenen Abteilungen im Krankenhaus diese Möglichkeit zu bieten. Im Nachhinein begrüßen würde ich als Allgemeinmediziner auch, dass man versucht, bereits niedergelassene Hausärzte mehr in die Ausbildung einzubinden. Es gibt zwar jetzt die Lehrpraxis, was ein riesiger Vorteil und eine Bereicherung für die Ausbildung ist, weil man dort ein wirklich gutes Handwerk lernt, aber dass man einfach schon früher den Kontext zwischen Klinik und Hausarzt herstellt. Denn das ist etwas, was sehr separat behandelt wird und sehr wenige Berührungspunkte bietet.