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Leitartikel

Ist Klinikarbeit nur noch Mühsal?

Der Leitartikel aus dem Präsidium.

med.ium 7+8/2023 | 11.8.2023

Verfolgt man die Pressemeldungen der letzten Zeit, so hat man den Eindruck, dass die Arbeitswelt der angestellten Kolleginnen und Kollegen nur noch Mühsal ist. Wie kann es sein, dass der schönste Beruf (Meinung wohl nicht nur des Autors) in den Spitälern so mutiert ist? Im Spital ist der Wunsch nach Reduktion der Arbeitszeit ein vielfach gehörter, um der gefühlten aber auch realen Arbeitsverdichtung und Belastung zu entfliehen. 

Andererseits sind die heutigen im Schnitt drei bis vier Nachtdienste pro Monat die Hälfte jener Realität, die vor 25 Jahren noch normal war. Die größte Ärztekammer in Österreich fordert für die Spitäler die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und gleichzeitiger personeller Besetzung offener Stellen, um die Arbeitsbelastung zu senken. Die Anzahl der Patienten hat sich vervielfacht, deren Alter erhöht und die Liegezeit massiv verkürzt. Die perfekte Gemengelage für Arbeitsverdichtung. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Klinikangestellten in den letzten 25 Jahren annähernd verdoppelt.

Schon immer gab es Klagen über zu viel Bürokratie genauso wie den Wunsch nach mehr Zeit für Patienten und fairerer Bezahlung. Die Lösungsvorschläge für den ambulanten Bereich werden von Kassen und Politik in Ärztezentren gesehen, die Entlastung von Bürokratie und gesicherte Bezahlung bei gleichzeitig besserer Patientenversorgung garantieren sollen. Dies sei, so hört man, der Wunsch der jungen Generation von Ärztinnen und Ärzten. 

Wie soll das dort gelingen, wo man in Spitalsambulanzen daran schon lange scheitert? Was wurde in den letzten Jahrzehnten verschlafen, dass wir heute von einer Krise im Gesundheitssystem reden bzw. uns darin befinden? Lange wurde von der Politik an der heiligen Kuh unbegrenzter Arbeitszeiten festgehalten, sodass jetzt das Pendel in populistische 32 Stunden umschlägt. Eine Kammer, die nur auf mehr Geld und Arbeitszeitreduktion setzt, wird langfristig scheitern. Auf Dauer wird nur der erfolgreich sein, der auch die übrigen Bedürfnisse für ein zufriedenstellendes Arbeitsumfeld befriedigt. 
Eine solide Ausbildung, die eine unabhängige Überprüfung nicht verhindert, sondern diese geradezu fordert, steht für viele Jungen an erster Stelle. Ein zunehmend unattraktives Facharztdasein im Spital, das mehr als 30 Jahre dauern kann, ist der häufigste Grund, sich nach Neuem umzusehen. Attraktivität wird nicht von Vorgesetzten oder Arbeitgebern definiert, aber sehr wohl mitbestimmt. 

Kommen wir zu Politik und Krankenkassen, welche letztlich der Bevölkerung mit Konsequenz erklären müssen, wozu Spitäler und ihre Ambulanzen bereitstehen. Es ist nämlich nicht unsere Aufgabe, zu erklären, warum schon heute nicht mehr alles und sofort zu Verfügung steht. Mehr Zahlentransparenz, was die Leistungen der ÄrztInnen und Ärzte und auch der Pflege betrifft, wird dringend gefordert. Wir werden die neue Salzburger Landesregierung und die zukünftige Geschäftsführung der SALK danach beurteilen, wie es um die Attraktivität Salzburger Spitäler vor der nächsten Wahl 2028 steht.

PS: Laut Gesetz soll ab 2028 die maximale wöchentliche Arbeitszeit auf 48 Stunden ohne Ausnahme sinken – es gibt also viel zu tun.

Mit kollegialen Grüßen

Ihr VP Priv.-Doz. Dr. Jörg Hutter

Kurienobmann der angestellten Ärzte
in der Ärztekammer für Salzburg