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Medizin in Salzburg

Grüne Ordinationen

Geht’s der Erde gut, geht’s uns allen gut: Das Referat Umweltmedizin gibt praxisnahe Tipps, wie Ordinationen und Gruppenpraxen grüner werden können, um PatientInnen auch in Zeiten des Klimawandels bestens zu versorgen. Aus unserer Serie "Umweltmedizin: Klimawandel & Gesundheit"

Von Mag. Christoph Schwalb | Georg Fuchs | Dr.med.univ. Johanna Schauer-Berg, MPH – Umweltreferentin der Ärztekammer Salzburg, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, PMU Salzburg | med.ium 7+8/2023 | 14.8.2023

Die Patientinnen und Patienten in Salzburg sehen sich einer Vielzahl an Ordinationen gegenüber, wenn sie profunder Behandlung bedürfen. In vielen Ordinationen hat man bereits von einem speziellen Patienten gehört, der Auswirkungen auch auf die anderen hat: der Klimawandel. Um dessen Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten zu mildern und sie bestmöglich darauf vorzubereiten, zeigt das Referat für Umweltmedizin in diesem Beitrag, wie Salzburgs Ordinationen und Gruppenpraxen noch grüner werden können (siehe auch Plakat „Gesund durch Klima- und Umweltschutz“ für Ihre Ordination im Mittelteil dieser Ausgabe).

Bereits 2017 wurde vom Land Salzburg eine Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in Salzburg beschlossen und 2022 ein Fortschrittsbericht mit den zu erwartenden Veränderungen durch den Klimawandel veröffentlicht.

Die Ärztekammer Wien (ÄKW) hat einen Leitfaden für „Klimafitte Ordinationen und Gruppenpraxen“ auf Basis aktueller Erkenntnisse herausgegeben. Er orientiert sich am „Handbuch für Grüne Praxen“ von „Health for Future“ (Zusammenschluss von Menschen aus dem Gesundheitsbereich, die sich in mehr als 70 Ortsgruppen in Deutschland und Österreich für den Klimaschutz einsetzen) und der Deutschen Allianz Klimawandel & Gesundheit (KLUG). Wertvolle Ideen und neue Perspektiven dazu sind auch aus dem Buch „Medizin in der Klimakrise“ von Dr. Heinz Fuchsig (stv. ÖÄK-Referent für Umweltmedizin)
miteingeflossen.

Gesundheitssektor für sieben Prozent des CO²-Abdrucks in Österreich verantwortlich

Laut des Endberichts des österreichischen Klima- und Energiefonds zum Carbon-Fußdruck (erstellt von Dr. Ulli Weisz, BOKU Wien, 2019) zeichnet der Gesundheitssektor für sieben Prozent des CO2-Abdrucks in Österreich (das entspricht ca. sieben Millionen Tonnen O2-Ausstoß) verantwortlich – bei den Gesundheitsausgaben pro Kopf als auch bei den Treibhausgasemissionen im Gesundheitssektor liegt das Land weit über OECD-Durchschnitt (doppelt so hoch wie Schweden und zehn Prozent mehr als Deutschland).

Dass es auch anders geht, zeigt (wie in medium 3+4/2023 berichtet) das Krankenhaus Barmherzige Brüder in  Salzburg, das für seine bereits heute umgesetzte und vorbildliche Nachhaltigkeit im Klinikbereich ausgezeichnet wurde.

„Planetary Health“: nur auf einem intakten Planeten können Menschen gesund leben

Die ÄKW verweist auf den ärztlichen Grundsatz „primum non nocere“, nach dem Ärzt*innen sich verpflichten, das Gesundheitssystem ressourcenschonend zu nutzen, klimafreundliches und  gesundheitsförderndes Verhalten von Patient*innen zu fördern und sich für gesundheitsfördernde Lebensbedingungen einzusetzen. Schließlich kommt eine gesunde Ernährung, die beim Klima eine Rolle spielt, vor allem den Patientinnen und Patienten zu Gute.

Um das Bewusstsein für die Förderung von Klima- und Gesundheitsschutz zu steigern, sind gerade Ordinationen und Gruppenpraxen besonders vielversprechend. Denn das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt*innen und Patient*innen hilft, neue Zugänge zu Klima und Gesundheit zu ermöglichen – mit den Ärzt*innen als guten Multiplikator*innen.

Vorzeitige Todesfälle vermeiden, erhebliche Kostenersparnisse bei Material und Energiekosten sowie eine hohe Mit- arbeiter*innen-Zufriedenheit: es hat viele Vorteile, wenn Gesundheit zukünftig in den Fokus von Klimaschutzmaßnahmen rückt.

Tipps, wie Ordinationen und Gruppenpraxen zu einem positiven „Klimawandel-Wandel“ beitragen können, stellt die ÄKW in ihrem Ratgeber anschaulich anhand dreier Säulen dar. 

3 Säulen:

Säule 1:
Patient*innen – Klimasensible Gesundheitsberatung dank „Klimasprechstunde“

Schaffen Sie eine Klimasensibilisierung und sprechen Sie einfach mit Ihren Patient*innen!

Der aktuelle CO2-Verbrauch in Österreich beträgt neun Tonnen pro Einwohner*in. Damit verbrauchen wir doppelt so viel CO2 wie der globale Durchschnitt. Der Zielwert, um das Pariser Abkommen zu erreichen, liegt bei unter einer Tonne CO2 pro Kopf. Eine klimasensible Gesundheitsberatung basiert auf der Erkenntnis, dass nur ein intakter Planet unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden schützt. 

Unsere Gesundheit steht somit in direkter Verbindung mit unserer Umwelt. Mit einem bewussten Lebensstil schützen wir Gesundheit und Klima gleichzeitig.

Ausgewogene Ernährung und körperliche Aktivität (Radfahren, Spazierengehen, zu Fuß in die Arbeit etc.) sorgen für mehr Gesundheit und Lebensfreude. Mögliche Inhalte einer klimasensiblen
Gesundheitsberatung:

  • Umstellung auf Planetary Health Diet
  • Mobilität zu Fuß oder mit dem Fahrrad
  • Nachhaltiger Konsum / Reiseplanung
  • Informationen über den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Klimakrise
  • Stichwort Zuvielitis: Was brauchen wir wirklich?

 

Säule 2:
„Die Klimafreundliche Ordination“: Bauliche Einrichtung von Ordination und Gruppenpraxen

Praxisnahe Tipps, wie Sie etwas für das Klima und gleichzeitig für Ihre Kostenersparnis machen können.

Energieversorgung und Energieverbrauch: „Ökostrom“

Die Möglichkeiten der Stromeinsparung

  • Energieeffizienz: neue Geräte sind sparsamer als alte
  • energiesparende LED-Lampen
  • Bewegungsmelder für selten benutzte Räume wie WCs und Gänge
  • Stand-by-Modus abschalten: abschaltbare oder ferngesteuerte Steckdosenleisten: Einsparungspotenzial von 80kW/h pro Jahr pro PC/Drucker!
  • Stoßlüften statt „Fenster auf Kipp“: Einsparungspotenzial von 560 kg CO2 pro Jahr für eine 110 m²-Ordination!

Kühlung und Verschattung

  • Nützen Sie Sonnenschutz vor den Fenstern. Die Klimaanlage sollte erst ab 26°C Innentemperatur eingeschalten werden und nur bis zu 6°C kühler als die Außentemperatur kühlen.
  • Bedenken Sie: keine Kühlung und Heizung in ungenutzten Räumen!

Bauliche Anpassungen machen 13 Prozent des CO2-Verbrauchs aus:

  • Photovoltaikanlagen
  • Dämmung der Wände, Isolation der Fenster
  • Fassaden- und Dachbegrünung
  • Installation einer umweltfreundlichen Heiz- bzw. Kühlanlage wie Wärmepumpen. Diese sind in den letzten Jahren deutlich leistungsfähiger, leiser (Luftwärmepumpen) und auch kostengünstiger geworden!

Organisatorische Maßnahmen von Ordination und Gruppenpraxen

  • Abfallwirtschaft: „Mehrweg statt Einwegprodukten, Nachfüllen statt Nachkaufen“, Mülltrennung
  • Nachhaltiger E-Mail-Versand / nachhaltige E-Mail-Anbieter*innen
  • Green IT / Nachhaltige EDV
    • Hardware: Für den normalen Ordinationsbetrieb reichen oft auch „Refurbished Geräte“ aus
    • Auch der Einsatz von openSource-Software ermöglicht es, ältere nicht so leistungsfähige Hardware zu verwenden und viel Geld zu sparen!
    • Drucken Sie wenig und suchen Sie Geräte mit nachfüllbaren Druckpatronen/Kartuschen.
    • Auch hier gilt: Schalten Sie nicht genutzte Geräte ab!

Arzneimittel

Was Sie als verschreibende Ärzt*innen tun können:

  • Folgen Sie der „Wise List“ (die kluge Liste aus Schweden), weil dort Umweltaspekte miteinbezogen werden
  • Verschreiben Sie kleine („Starter“)-Packungen
  • Verschreiben Sie nicht mehr Medikamente als eingenommen werden können. Im Zweifelsfall lieber noch einmal verschreiben.

 

Säule 3:
Mitarbeiter*innen-Mobilität

Mit grünen Alternativen zur Praxis: Beispiele und Vorteile:

  • Gesund zu Fuß und mit dem Fahrrad: Aktive Bewegung an der frischen Luft wirkt kardioprotektiv und reduziert das Risiko für maligne Erkrankungen teilweise erheblich. Außerdem trägt es zur seelischen Gesundheit bei.
  • Klimaschonend und günstig: Anreize für Mitarbeiter*innen können beispielsweise ein Job-Rad oder E-Bikes sein.
  • Arbeitnehmer*innen können diese als Betriebsausgaben absetzen, mit einer Entfernungspauschale von 30 Cent/km.
  • Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln fördern: Das Öffi- oder Klimaticket als Betriebsausgabe ist steuerfrei möglich.

Mehr Infos:

 

Poster für die Ordination