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Aus der Kammer

Gesundheitsreform 2023

Ein Rückblick auf die Ereignisse rund um den Finanzausgleich und die darin enthaltene Gesundheitsreform aus der Sicht der Salzburger Ärztekammer. Interviews mit Präsident Karl Forstner und Kurienobmann VP Dr. Christoph Fürthauer.

Von Georg Fuchs | med.ium 11+12/2023 | 18.12.2023

Es wird etwas geschehen

Der sogenannte „Finanzausgleich“ oder auch die „15a-Vereinbarung“ regelt die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Bundesländern und Gemeinden. Über den Finanzausgleich werden die Erträge aus bestimmten Abgaben, die der Bund einhebt, zwischen Bund, Bundesländern und Gemeinden aufgeteilt.

Mit Ablauf des Jahres 2021 hätte eigentlich die letzte Finanzausgleichsperiode seit 2017 geendet. Die Finanzausgleichspartner sind damals allerdings übereingekommen, den bestehenden Finanzausgleich um weitere zwei Jahre bis Ende 2023 weitestgehend unverändert zu verlängern, um die vorhandenen personellen Ressourcen vordringlich zur Bekämpfung der Corona-Pandemie einzusetzen, so die damalige
Begründung.

Bereits im Vorfeld zu den Verhandlungen wurde angekündigt, als zentrales Thema eine Gesundheitsreform umzusetzen. Im Finanzausgleich 2023 steht nun laut Gesundheitsministerium die Gesundheitsreform  im Mittelpunkt. Bis zum Jahr 2028 stellt der Bund jährlich zusätzlich über 2 Milliarden Euro für Gesundheit und Pflege zur Verfügung. Zusammen mit den Mitteln von Ländern und Sozialversicherung stehen insgesamt 14 Milliarden Euro für Gesundheit und Pflege bereit. Dafür haben sich die Länder bereit erklärt, neue Aufgaben zu übernehmen und Reformen umzusetzen und mitzutragen.

Die Verhandler

Traditionell wird der Finanzausgleich hinter verschlossenen Türen verhandelt, nach dem Motto: Wer zahlt, schafft an. Zu den einzelnen Begleitgesetzen, welche für die Umsetzung der „15a-Vereinbarung“ notwendig sind, werden üblicherweise Experten aus dem jeweiligen Metier hinzugezogen. Vertreter der Ärztekammer waren aber 2023 bei der Entwicklung der aktuellen 15a-Vereinbarung nicht geladen, obwohl in den Begleitgesetzen unter anderem eine grundlegende Reform im Gesamtvertrag zu den Sozialversicherungen anstand.

Ein Rückblick

Zur Erinnerung: Die „15a-Vereinbarungen“ der letzten 17 Jahre waren jeweils gespickt mit Gesetzen, welche tief in die beruflichen Belange der Ärzteschaft hineinwirkten. Der Finanzausgleich 2007 versuchte  etwa, niedergelassene Kassenärzte durch staatliche Preisverordnung und Niedrighonorare wirtschaftlich zu kontrollieren. Richtlinien-Behandlung soll zusätzlich die ärztliche Diagnose- und Therapiefreiheit unterwandern. Die Qualitätssicherung der Ordinationen soll vom Staat übernommen werden. Am Schauplatz der Spitalsärzte: Die Verantwortlichen überlegten tatsächlich, die spitalsärztlichen Dienste nach Möglichkeit erheblich auszuweiten – Motto: 72 Stunden sind nicht genug. Die Ärztekammer wehrte sich.

Ein nächster Versuch 2008: In einer Gesundheitsreform geht es um die Aushebelung der Gesamtverträge zwischen Krankenkassen und Ärzten. Das „Sozialpartnerpapier“ sieht vor, dass jede Kasse zukünftig selbst entscheiden kann, ob sie lieber einen Gesamtvertrag oder Direkt(Einzel)verträge mit den Ärzten abschließt. Wer billiger bietet, bekommt den Kassenvertrag. Dazu kommen befristete Neuverträge unter ökonomischem Blickwinkel. Diese Neuverträge sollen nur mehr befristet auf 5 Jahre vergeben werden. Die Verlängerung soll vom Nachweis von Qualifizierungsmaßnahmen abhängen, aber auch vom  ökonomischen Wohlverhalten, was Eigen- wie auch veranlasste Fremdleistungen anlangt. Außerdem wird auch eine Neuordnung des Wahlarztkosten-Rückersatzes verlangt.In internen Sitzungen wurde sogar die Forderung nach völliger Abschaffung erhoben. Die Ärztekammer wehrte sich.

Finanzausgleich inklusive Gesundheitsreform 2012:
Zum dritten Mal innerhalb von kurzer Zeit plant die Bundesregierung eine grundlegende „Gesundheitsreform“. Mit der Art. 15a B-VG-Vereinbarung „Zielsteuerung Gesundheit“ wird dem österreichischen Gesundheitswesen ein Sparpaket verordnet. Neue bürokratische Strukturen sollen eingeführt und bestehende entmachtet werden. Aufwendiges Berichtswesen, lückenloses Monitoring und strenge Sanktionen sollen das Misstrauen zwischen den Systempartnern zerstreuen. Gleichzeitig soll der staatliche Einfluss auf den ärztlichen Stellenplan gestärkt werden. Man will auch staatliche Vorgaben für Honorarsysteme  sowie eine bürokratische, fachfremde Organisation von Qualitätssicherung und -management im Gesundheitswesen einführen. Für die Ärzteschaft hätte das bedeutet: Aushöhlung der ärztlichen Freiberuflichkeit, Einschränkungen der ärztlichen Selbstverwaltung, Eingriffe in die sozialpartnerschaftliche Honorar- und Tarifautonomie, Planung von Kassenarztstellen durch Behörden, Qualitätssicherung durch eine zentrale Bürokratie, Gefährdung der Zuständigkeit für ärztliche Ausbildung.

Der „Kostendämpfungspfad“

Bis 2016 sollen 3,4 Mrd. € eingespart werden, indem die Dynamik der öffentlichen Gesundheitsausgaben an das BIP und nicht an den tatsächlichen Bedarf gekoppelt wird. 60 Prozent des Sparzieles sollen die Länder, 40 Prozent die Sozialversicherung erbringen. Hochgerechnet auf 2020 soll sich so ein Einsparungsvolumen von 11 Mrd. € ergeben. Das war damals gut die Hälfte aller öffentlichen  Gesundheitsausgaben eines Jahres. Die Ärztekammer wehrte sich, auf das Konzept der Kostendämpfung hatte das allerdings keinen wesentlichen Einfluss.

Finanzausgleich 2017: Im dazu vorliegenden Gesetzesentwurf fand sich gewaltiges systemveränderndes Potenzial. Einschränkung des Wahlarztkosten-Rückersatzes; Regelungen, bei denen Ärzte, die einen §2-Kassenvertrag zurücklegen, automatisch ihre Verträge mit den Sonderversicherungsträgern verlieren; das Wegfallen der im ASVG geregelten Notwendigkeit eines Einverständnisses zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung bei der Errichtung kasseneigener Ambulatorien; die Verlagerung der Stellenplanung von Ärztekammern und Krankenkassen hin zum – parteipolitisch besetzten – „Regionalen Strukturplan Gesundheit“ (RSG); eine nicht näher definierte „Flexibilisierung“ der Ärzteausbildung; Verschlechterungen im Ärzte-Arbeitszeitgesetz durch den von Länderseite gewünschten Wegfall der  Betriebsvereinbarungen sowie durch Aufweichung der gesetzlich bestehenden Arbeitszeitbegrenzung. Die Ärztekammer wehrte sich in vielen Punkten erfolgreich.

Das Leak

Dass nun 2023 eine Gesundheitsreform gänzlich ohne strukturierte Einbindung der Vertreter der Leistungserbringer (Sozialpartner) stattfand, ist eine neue Erfahrung. Einschlägige Terminvereinbarungen mit Vertretern der Österreichischen Ärztekammer kamen entweder nicht zustande oder wurden im Vorfeld storniert. Von den konkreten Inhalten der Verhandlungen drang wenig durch, bis ein Entwurf des Reformtextes Anfang November „geleakt“ wurde.

Interview Präsident Dr. Karl Forstner

med.ium: Herr Präsident Forstner, konnte man von Seiten der Ärztekammer nicht früher voraussehen, was mit dieser „15a-Vereinbarung“ auf die Ärzteschaft zukommt? Der Finanzausgleich ist ja „Zahlersache“,
aber gab es keine Gespräche im Vorfeld, zu den Inhalten der Begleitgesetze und der darinnen enthaltenen Gesundheitsreform?

Forstner: „In den Entwürfen stand im Wesentlichen nichts drinnen, was man nicht bereits im Vorfeld aus irgendeinem Mund gehört hätte. Egal ob Gesundheitsminister Rauch, Gesundheitsreferenten der  Parteien, ÖGK-Sprecher oder Länderstimmen. Es gab aber keinen Dialogprozess, an dem die Ärztekammer beteiligt gewesen wäre.

Diese Polyphonie hat sich aber dann doch zu einem Gesetzesentwurf verdichtet, wie er der Standesvertretung Anfang November bekannt wurde. Man muss sich schon die Frage stellen, warum an dessen Entstehung die Ärztekammer als Vertreter der Leistungserbringer in keiner Weise eingebunden war.

Die Konsequenzen

med.ium: Herr Präsident Forstner, in der ersten Phase des öffentlichen Disputs über die Widrigkeiten in diesem Gesetzesentwurf kam die Ärztekammer als Gesamtes in den Ruf, als ständiger Blockierer die
Entwicklungen im Gesundheitssystem einzubremsen. Die Stimmung schien zu kippen und das Image der Kammer nahm deutlichen Schaden. Was nehmen Sie aus den Ereignissen mit?

Forstner: Unzweifelhaft hat die Österreichische Ärztekammer ein Imageproblem. Allerdings verfehlen die pauschalen Vorwürfe als Blockierer die Wahrheit. Denn Tatsache ist, dass die Standesvertretung immer wieder auf Missstände hinweisen musste, weil es um die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Systeme gegangen ist. Nichtsdestotrotz haben wir in Salzburg immer den konstruktiven und partnerschaftlich Weg bevorzugt. Die Ergebnisse können sich wohl sehen lassen.

Wir sind natürlich gewillt, diesen Weg weiter zu gehen, weil eine gute Versorgung auch die Basis für die Zufriedenheit der Ärzteschaft ist.

med.ium: Was kann die Salzburger Ärztekammer dazu beitragen, um das Geschehene aufzuarbeiten und die Aufgaben der Zukunft bewältigen zu können?

Forstner: Aus Sicht Salzburgs muss man darüber reden, wie die Standesvertretung in diese prekäre Situation im Zusammenhang mit der Gesetzwerdung kam, denn wir haben im wahrsten Sinn des Wortes im letzten Moment die Kurve gekratzt. So etwas kann auch ins Auge gehen. Das soll und muss im Nachgang aufbereitet werden. Festzuhalten ist aber auch, dass gemessen am Ausgangspunkt das nunmehrig Vorliegende eine deutliche Korrektur bedeutet im Sinne der Ärzteschaft.

Als wichtigstes Element kann man hier die Aufrechterhaltung der Sozialpartnerschaft und das Fortbestehen des Gesamtvertrages sehen. Die Alternative hätte die einzelne Ärztin/den einzelnen Arzt in ein völlig asymmetrisches Machtverhältnis zur Sozialversicherung gestellt. Daher ist es wichtig, dass dieser Vorschlag des Gewerkschafters (sic!) und ÖGK-Obmanns Andreas Huss beseitigt werden konnte.

Und es ist erfreulich, dass im Besonderen die verantwortliche Politik unseres Bundeslandes hier sehr hilfreich an dieser Korrektur mitgewirkt hat.

Die Details des Entwurfes zur Gesundheitsreform

Konkret seien hier einige Details des Anfang November geleakten Entwurfes der „15a-Vereinbarung“ aufgelistet, wie sie die Ärztekammer als Bedrohung ihrer ureigenen Aufgaben als Interessenvertretung sah:

  • Verlust des Stellenplans für Kassenärzte, dieser soll künftig durch Bund und Länder geregelt werden.
  • Ausschreibung von Kassenstellen soll künftig ausschließlich durch die Sozialversicherung erfolgen. Ein Einvernehmen mit der Ärztekammer ist nicht mehr notwendig.
  • Entzug der Vertragskompetenz der Landesärztekammern mit 1.1.2026.
  • Verlust des Mitspracherechts/Bedarfsprüfung bei der Gründung von Ambulatorien. Bei der Bedarfsprüfung selbst hat die Ärztekammer keine Parteistellung mehr.
  • Kann eine Kassenstelle nicht besetzt werden, kann diese Stelle in ein Ambulatorium umgewandelt werden und dies ohne Bedarfsprüfungsverfahren.
  • Einzelverträge außerhalb des Gesamtvertrages sollen künftig möglich sein. Damit sind Ärztinnen und Ärzte einem großen Vertragsgeber schutzlos ausgeliefert.
  • Für die Bereiche, in denen es keine Gesamtverträge gibt, sollen Einzelverträge möglich sein – beispielsweise für Nuklearmedizin/Strahlentherapie, Anästhesie etc. − Sondervereinbarungen im  Einzelvertrag zwischen Kasse und Ärzten sind auch ohne Zustimmung der Ärztekammer möglich.
  • Die Kündigung eines Einzelvertrages, egal mit welcher Kasse, bedeutet künftig das Ende aller Kassenverträge.
  • Wahlärzte: Verpflichtende E-Card und ELGA-Anbindung für alle Wahlärzte ab 1. Jänner 2026
  • Dokumentation: Gesetzliche Codierungspflicht nach dem ICD-10 für Kassenärztinnen und Kassenärzte ab 1.1.2025 und in weiterer Folge auch für Wahlärztinnen und Wahlärzte.
  • Unangemessen hohe Sanktionsstrafen bei Missachtung von Dokumentationsvorgaben (z. B. e-Medikation, e-Impfpass, etc.)
  • Wirkstoffverschreibung: Die Wirkstoffverschreibung soll künftig verpflichtend sein. 

"Man war sich schon damals bewusst, dass man keine fairen Bedingungen für die Kassenärzteschaft erreichen kann, wenn die Kasse als Monopolnachfrager sich jene Ärzte aussuchen kann, die am billigsten für sie arbeiten."

Die Salzburger Ärztekammer wie auch alle anderen Länderärztekammern reagierten vehement. Diese Entwürfe für die gesetzlichen Veränderungen hätten im Klartext eine Beendigung der  sozialpartnerschaftlichen Beziehungen zwischen Ärzteschaft und Sozialversicherung bedeutet.

Insbesondere sollte – ohne dass irgendeine Notwendigkeit bestanden hätte – das Gleichgewicht zwischen der Sozialversicherung als Zahler und der Ärztekammer als Vertreter der Leistungsanbieter in einem System, das dem System der Kollektivvertragspartner vergleichbar ist, ausgehebelt werden, argumentierte die Salzburger Ärztekammer.

Der zwischen Kasse und Kammer abgeschlossene ärztliche Gesamtvertrag regelt vor allem die den Kassenärzten zu zahlenden Tarife und Arbeitsbedingungen. Dieser Gesamtvertrag wurde im Jahr 1955 als Gegengewicht zum damals durch das ASVG eingerichteten Monopol der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt, da es sich bei der sozialen Krankenversicherung um einen Nachfragemonopolisten handelt. Man war sich schon damals bewusst, dass man keine fairen Bedingungen für die Kassenärzteschaft erreichen kann, wenn die Kasse als Monopolnachfrager sich jene Ärzte aussuchen kann, die am billigsten für sie arbeiten.

Dieser kollektive Schutz der Kassenärzte sollte nun mit den Begleitgesetzen zum Finanzausgleich abgeschafft werden: Die Sozialversicherung – und zwar die Zentralstellen in Wien, nicht die Landesstellen (sic!) soll sich laut Gesetzesentwurf künftig aussuchen können, ob sie über einen Gesamtvertrag oder über Direktverträge mit einzelnen Ärzten zu günstigeren Tarifen kommt. Und das auch für bestehende Verträge, nicht nur die künftigen. Damit wäre die Gesundheitssozialpartnerschaft (Ärztekammer/Sozialversicherung) faktisch abgeschafft worden. Das wäre aus Sicht der Ärztekammer genauso, wie wenn bei Verhandlungen zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern die Dienstgeber bei Nichteinigung einseitig entscheiden könnten. „Das ruiniert diese Sozialpartnerschaft und würde dazu führen, dass künftig verstärkt ÄrztInnen aus dem Kassensystem abwandern, weil niemand mehr da ist, der vernünftige Arbeitsbedingungen für die Kassenärzte durchsetzen kann“, so die Salzburger Ärztekammer in einer Aussendung.

Die Ausgewogenheit zwischen Ärzteschaft und Sozialversicherung wäre aufgelöst worden und die einzelnen Ärztinnen und Ärzte der Macht der Institution Sozialversicherung ausgeliefert gewesen. Einfluss auf Stellen- und Versorgungsplanung, Leistungsangebote und wohl auch Honorarsystematiken wären ausnahmslos in diesem asymmetrischen Machtverhältnis entschieden worden. Dies hätte eine massive Schwächung der Position der niedergelassenen Ärzteschaft im Gesundheitswesen bedeutet, argumentierte die Salzburger Ärztekammer.

Zwei Punkte sah man als besonders dramatisch und konnten unter keinen Umständen hingenommen werden – sollten diese beiden Punkte tatsächlich umgesetzt werden, dann hätte es kein  Gesamtvertragssystem mehr geben. Eine Passage lautete wie folgt:
„Die Österreichische Gesundheitskasse hat bis längstens 31. Dezember 2025 einen bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag mit Wirksamkeit spätestens zum 1. Jänner 2026 abzuschließen. Für den Fall, dass bis zu diesem Zeitpunkt kein Gesamtvertrag abgeschlossen sein sollte, würden die zum 31. Dezember 2025 bestehenden regionalen Gesamtverträge samt der zu diesem Zeitpunkt geltenden Honorare bis zum Abschluss eines bundesweit einheitlichen Gesamtvertrages unverändert weiter gelten. Anpassungen der Honorarhöhe in den regionalen Gesamtverträgen seien ab diesem Zeitpunkt unzulässig.“

Vor diesem Hintergrund und mit einer solchen Gesetzesbestimmung sind keine fairen Verhandlungen mit der ÖGK zu erwarten, vielmehr würde es zu einem einseitigen Honorardiktat der ÖGK kommen, so die Ärztekammer. Während bei allen Gesundheitsberufen, bei denen die ÖGK Honorarharmonisierungen vorgenommen hat, dies stets auf dem höchsten Niveauerfolgt ist, sollte dies bei den Ärztinnen und Ärzten –  da das notwendige Geld dafür nicht vorhanden ist und von der Bundespolitik auch nicht bereitgestellt wird – nicht der Fall sein. Wäre genug Geld für eine Honorar-Harmonisierung auf dem höchsten Niveau der jeweiligen Bundesländer vorhanden, bräuchte es diese Bestimmung nicht. Dann würde wohl vernünftigerweise in einen Bundesvertrag gewechselt werden.

Mit der von BM Rauch angedachten Regelung wäre die in Salzburg durch regionale, von der Ärztekammer für Salzburg ausverhandelten Gesamt- und Honorarverträge, und erfolgreich umgesetzte flächendeckende Sachleistungsversorgung der Bevölkerung durch freiberuflich tätige niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ohne jeglichen Grund prekär gestellt worden. Dies hätte auch für die Zukunft die Umsetzung von gemeinsam zwischen Land, Sozialversicherung und Ärzteschaft ausverhandelten landesspezifischen gesundheitspolitischen Projekten verhindert. Dazu zählen beispielsweise auch salzburgspezifische Versorgungsangebote wie etwa der für Salzburg gesamtvertraglich vereinbarte und über die Ärztekammer organisierte flächendeckende Bereitschaftsdienst wochentags nachts und an Wochenenden und Feiertagen.

Eine zweite Passage in den Texten lautete wie folgt:
„Ist für die freiberuflich tätigen Ärzte und Ärztinnen kein Gesamtvertrag anwendbar, so können zur Sicherstellung oder Verbesserung des Sachleistungsangebotes von den Trägern der Krankenversicherung unter Zugrundelegung der verbindlichen Planungsvorgaben der Verordnungen von Teilen der RSG Sonder-Einzelverträge mit freiberuflich tätigen Ärzten und Ärztinnen nach einheitlichen Grundsätzen  abgeschlossen werden. Der Sondereinzelvertrag hat insbesondere die Öffnungszeiten sowie das Leistungsspektrum und die Honorierung der erbrachten Leistungen festzulegen. Im Falle des Abschlusses eines Gesamtvertrages erlöschen die Sonder-Einzelverträge. Der Arzt/die Ärztin hat jedoch Anspruch auf Abschluss eines Einzelvertrages, wobei allfällige im Gesamtvertrag festgelegte Auswahlkriterien nicht anzuwenden sind.“

Damit wären Einzelverträge im vertragslosen Zustand möglich gewesen – was bis dato ausgeschlossen ist – und der Gesamtvertrag faktisch abgeschafft worden.

Interview Vizepräsident und Kurienobmann niedergelassene Ärzte Dr. Christoph Fürthauer

med.ium: Herr Vizepräsident Fürthauer, die ursprüngliche Gesetzesvorlage war gespickt mit Widrigkeiten. Wie sahen Sie die Situation?

Fürthauer: Die geplanten Regelungen hätten das traditionell sehr gute Miteinander in Salzburg zerstört. Es ist für die Sicherung der kassenärztlichen Versorgung in Salzburg wichtig, dass die Ärztekammer ein Sozialpartner auf Augenhöhe bleibt, um auch die Aspekte der Leistungserbringer in gemeinsame Lösungen einfließen zu lassen. Die Durchsetzung von Regelungen ohne Einbindung der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bzw. gegen uns war zu kurz gedacht und hätte aus unserer Sicht das Ende der derzeitigen Gesamtverträge bedeutet. 

med.ium: Herr Vizepräsident Fürthauer, die Korrektur der Gesetzesvorlage in sprichwörtlich letzter Minute verhinderte Schlimmeres?

Fürthauer: Wie gesagt, es stand im Raum, dass der Gesamtvertrag erlischt. Wir konnten erreichen, dass für die Salzburger Kassenärztinnen und -ärzte weiterhin Vertragssicherheit besteht. Nur durch einen vertrauenswürdigen und langfristig berechenbaren Vertrag ist die Versorgung der Bevölkerung durch die dem solidarischen Gesundheitssystem verbundenen freiberuflichen Ärztinnen und Ärzte gewährt.

Ein wichtiges Detail findet sich in der Passage mit den Ambulatorien. Hier konnte erstmals der Vorrang der niedergelassenen Versorgung durch einzelne Ordinationen, Gruppenpraxen und  Primärversorgungseinrichtungen vor Ambulatorien verankert werden, was somit die Kommerzialisierung einbremst.

Ergebnis

In intensiven Gesprächen mit Spitzenrepräsentanten der Salzburger Politik konnten die Argumente der Ärzteschaft dargestellt werden. Von hier ausgehende Unterstützung dieser Argumentation hat wohl neben vielen anderen Beiträgen auf Bundes- und Landesebene in sprichwörtlich letzter Minute zu substantiellen Abänderungen des Gesetzesentwurfs geführt. Konkret wirkten sich die Änderungen für Salzburg folgendermaßen aus:

  • Der Salzburger ÖGK-Gesamtvertrag kann über den 31.12.2025 hinaus bestehen bleiben und auf lokaler Ebene von der Ärztekammer Salzburg verhandelt werden; auch können ab 1.1.2026 die ÖGK-Honorare in Salzburg weiterhin valorisiert werden. Ziel der Bundespolitik bleibt jedoch die Schaffung von österreichweit harmonisierten Kassenarzthonoraren bei der ÖGK, dies allerdings  ohne konkretes Datum, bis wann das zu erfolgen hat.
  • Es wird weiterhin keine Direktverträge im gesamtvertragslosen Zustand bei Kassenordinationen geben.
  • Es wird zu keiner Wirkstoffverschreibung kommen.
  • Der Regionale Strukturplan Gesundheit (= RSG; ersetzt künftig den kassenärztlichen Stellenplan) muss, bevor er von ÖGK und Land beschlossen wird, verpflichtend in der  Landesgesundheitsplattform (dort ist auch die Ärztekammer vertreten) behandelt werden, sodass zumindest die Möglichkeit der Mitwirkung besteht.
  • Im Gesetz wird auch eine Bestimmung zur Priorisierung von Einzelordinationen, Gruppenpraxen und Primärversorgungseinheiten (gegenüber Ambulatorien) im extramuralen Bereich  aufgenommen.