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Gesund arbeiten bis ins hohe Alter

Alterns- und altersgerechtes Arbeiten ermöglicht, dass mehr Menschen gesund und fit durchs Berufsleben gehen und gesünder in den Ruhestand wechseln.

AVOS | med.ium 11+12/2025

Fachkräftemangel und demografische Veränderungen beeinflussen die Arbeitswelt. Das führt dazu, dass sich Unternehmen verstärkt um ihre Mitarbeitenden bemühen. Doch ältere Arbeitnehmende scheiden aktuell oft vorzeitig aus dem Berufsleben aus. Wie gelingt es, dass Mitarbeitende länger gesund im Erwerbsleben bleiben? Welche Bedingungen braucht es, um bis zum regulären Pensionsalter und darüber hinaus zu arbeiten? 

Ermöglicht wird das durch alterns- und altersgerechtes Arbeiten. Diese Konzepte stehen für ein ganzheitliches Verständnis von gesundem Arbeiten – ein Leben lang.Sie bieten Maßnahmen und Lösungen, wie der gesamte berufliche Lebensweg, die individuelle Entwicklung und altersbedingte Veränderungen von Mitarbeitenden möglichst hilfreich und gesundheitsfördernd entgegnet werden kann. Die Arbeitsmediziner*innen des AMD Salzburg beraten, begleiten und unterstützen Unternehmen, um so vielen Salzburger Arbeitnehmer*innen wie möglich von Beginn an ein sicheres, gesundes Berufsleben bis zur Pensionierung zu ermöglichen.

Alternsgerechtes versus altersgerechtes Arbeiten

Alternsgerechtes Arbeiten: Der Arbeitgeber kümmert sich darum, dass seine Mitarbeiter*innen über ihr gesamtes Berufsleben hinweg gesund und sicher arbeiten können. Das umfasst Maßnahmen wie ergonomische Ausstattung, Aufklärung über Belastungen und Prävention ab dem ersten Berufsjahr. 

Altersgerechtes Arbeiten: Der Arbeitgeber setzt gezielt in bestimmten Lebensphasen der Mitarbeiter*innen an, um ihr Arbeitsumfeld dem Alter entsprechend optimal zu gestalten. Dazu zählen etwa längere Erholungsphasen, angepassten Schichtpläne oder flexible Arbeitszeiten für ältere Mitarbeitende.

Interview: „Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen arbeitet mit gesundheitlichen Problemen“

Dr. Ortrud Gräf, Arbeitsmedizinerin beim AMD Salzburg

Besonders für chronisch erkrankte Mitarbeitende oder Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen sind spezielle Anpassungen des Arbeitsplatzes erforderlich. In Österreich waren im Jahr 2019 rund 43 Prozent der 45- bis 60-Jährigen chronisch krank. Rund 54 Prozent der erwerbstätigen Personen arbeiten mit gesundheitlichen Problemen. Beides zeigt der 2. österreichische Gesundheitsbericht (Jänner 2024) des Gesundheitsministeriums auf. Umso zentraler ist eine umfassende, arbeitsmedizinische Betreuung – von Anfang an und dauerhaft. 

med.ium: Frau Dr. Gräf, warum ist es o entscheidend, dass Unternehmen frühzeitig auf gesunde Mitarbeitende achten? 

Dr. Gräf: Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, auf Gesundheit, Sicherheit und den Arbeitnehmerschutz zu achten. Auch darüber hinaus ist es in ihrem eigenen Interesse, sich in Zeiten des Fachkräftemangels um das Wohl der Mitarbeitenden zu bemühen. Denn Mitarbeiter*innen, denen es gut geht, bleiben dem Betrieb länger erhalten und somit auch ihre Erfahrung und ihr Wissen. All das schützt vor Fluktuation. 

med.ium: Wie unterstützen die Arbeitsmediziner*innen des AMD Salzburg Betriebe dabei, alterns- und altersgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen? 

Dr. Gräf: Mittels Arbeitsplatzanalyse ermitteln wir die Anforderungen des Arbeitsplatzes und können dann erheben, wie stark ein/e Mitarbeiter*in auf diesem Arbeitsplatz belastet und beansprucht ist. Alternsgerechte Maßnahmenableitungen unterstützen die betroffenen Mitarbeitenden. Bei Bedarf erheben wir auch ein Leistungskalkül. Daraus lässt sich schließen, was eine Person aufgrund von Ausbildung und individuellen Fähigkeiten am Arbeitsplatz leisten kann. Der Arbeitsbewältigungsindex ermöglicht uns, die aktuelle Arbeitsfähigkeit zu eruieren und entsprechende Empfehlungen zu geben. 

med.ium: Was sind die wichtigsten Voraussetzungen, damit Mitarbeitende über das gesamte Berufsleben hinweg gute Arbeitsbedingungen haben? 

Dr. Gräf: Wir Arbeitsmediziner*- innen begleiten Mitarbeiter*innen vom Eintritt ins Berufsleben bis zur Pension. Was sie brauchen, ist je nach Alter und Lebensphase sehr unterschiedlich. Junge Menschen haben ganz andere Belastungen als ältere Mitarbeiter*innen. Bei ersteren stellen wir etwa eine erhöhte Unfallquote fest. Auch aufstrebende, karrierebewusste Mitarbeitende, schwangere Frauen, Eltern und Wiedereinsteiger*innen benötigen jeweils unterschiedliche Unterstützungsmaßnahmen. 

med.ium: Welche Form der Unterstützung benötigen chronische kranke Mitarbeitende? 

Dr. Gräf: Bei chronisch kranken Mitarbeitenden und Menschen mit Beeinträchtigungen sind oft organisatorische Anpassungen oder technische Hilfen erforderlich. Zu den häufigsten chronischen Krankheiten und Gesundheitsproblemen in Österreich zählen laut Gesundheitsbericht unter anderem chronische Rückenschmerzen (26 % der Bevölkerung ab 15 Jahren), Allergien (20 %), chronische Nackenschmerzen (20 %), Arthrose (13 %), chronische Kopfschmerzen (8 %), Diabetes (6 %), Depressionen (6 %), chronische Bronchitis / COPD (5 %) und Asthma (4 %). 

med.ium: Wie verändern sich die Fähigkeiten von Mitarbeitenden mit zunehmendem Alter? 

Dr. Gräf: Natürlich verringern sich sensorische, motorische und mentale Fähigkeiten, dafür punkten diese Mitarbeitenden aber durch hohe soziale und emotionale Fähigkeiten – wie strategisches Denken, Anpassungs- und Kompensationsfähigkeit, Verantwortungsgefühl und Loyalität – sowie Erfahrung und Wissen, insbesondere Faktenwissen.

med.ium: Was brauchen ältere Menschen für einen altersgerechten Arbeitsplatz? 

Dr. Gräf: Sie benötigten Maßnahmen, um altersbedingte Defizite auszugleichen und ihre aktuellen Fähigkeiten sinnvoll zu nutzen. Das heißt zum Beispiel, bei körperlichen Belastungen Hilfsmittel einzusetzen, die Sehleistung durch eine entsprechende Versorgung mit Sehhilfen und ausreichend Licht zu optimieren oder Wissen altersgerecht zu generieren. Ihre Fähigkeiten können ältere Mitarbeitende unter anderem in Mentoring-Programmen einsetzen, wo sie ihr Wissen an jüngere Kolleg*innen weitergeben und es so im Betrieb bleibt.