Von Dr. Maximilian Krecu | Dr. Johannes Oswald | med.ium 5+6/2024 | 17.6.2024
Mit der vor kurzem im Parlament verabschiedeten Novelle zum Ärztegesetz wurde die seit den 1990er Jahren von ÄrztevertreterInnen geforderte Einführung des Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin beschlossen. Die neue Facharztausbildung kann ab dem 1.6.2026 begonnen werden und wird nach den unten angeführten Rahmenbedingungen (Infobox) ablaufen, wobei einige Details u.a. hinsichtlich des Fächerkanons noch in Ausarbeitung sind.
Diese längst überfällige Gleichstellung der Ausbildungen als Facharztausbildungen wird in der Ärzteschaft seither immer wieder als Meilenstein bezeichnet, von der sich VertreterInnen eine Attraktivierung des Berufsbildes Hausarzt versprechen. Die Allgemeinmedizin werde durch diesen Schritt ein Fach unter vielen und erfahre durch den Facharzttitel innerhalb der Ärzteschaft die notwendige Aufwertung für ein kollegiales Miteinander auf Augenhöhe.
Im Folgenden möchten wir als Vertreter der TurnusärztInnen im Bundesland Salzburg auf einige der offenen Details hinweisen.
Die Sinnhaftigkeit und v.a. die landläufige Umsetzung dieses ersten Abschnitts der Ausbildung wurde seit der Einführung von ÄrztevertreterInnen heftig diskutiert, in Frage gestellt, aber auch verteidigt. Die heterogene Meinung in der Ärzteschaft widerspiegelnd bleibt die Basisausbildung im Gesetz erhalten, jedoch wird ab dem 1.6.2026 eine Anrechnungsmöglichkeit von „gleichwertigen“ Tätigkeiten aus dem Klinisch-Praktischen-Jahr (KPJ) auf die Basisausbildung möglich sein (Quelle: ÖÄK-Rundschreiben 57/2024).
Die Umsetzung in der Realität ist hier- bei noch offen und muss noch näher festgelegt werden. Möglich ist jedoch eine Abschaffung der Basisausbildung „durch die Hintertüre“, da viele TurnusärztInnen eine neunmonatige Verkürzung ihrer Facharztausbildung über eine oft als Systemerhaltung empfundene Tätigkeit bevorzugen werden. Hier sei auf das Abschneiden der Basisausbidung in der letztjährigen Ausbildungsevaluation der ÖÄK über die ETH Zürich hingewiesen.
Die Basisausbildung bietet Berufseinsteigern stets die Möglichkeit, nicht nur in das ärztliche Handeln und Entscheiden hineinzufinden, sondern auch das Krankenhaus und favorisierte Abteilungen für eine zukünftige Fachausbildung kennenzulernen. Von Vorteil ist auch die Vernetzung der BerufseinsteigerInnen vor Eintritt in die jeweilige Spezialisierung. Diese Möglichkeiten des „sanften“ Berufseinstiegs werden hoffentlich weiterhin erhalten bleiben.
Wegfallen wird aber für angehende SpezialistInnen auf der Überholspur die neunmonatige Verpflichtung, über den Tellerrand der eigenen Fachvorstellungen hinauszuschauen, was sich insbesondere auf die Basisversorgung auf den Bettenstationen auswirken könnte.
Hinsichtlich der Anrechnung von KPJ-Inhalten auf die Basisausbildung gilt zu klären, wie es sich mit KPJ-Inhalten aus dem (nicht)deutschsprachigen Ausland verhalten soll. Wie und von wem soll außerdem die Ausbildung und Einbindung der KPJ-StudentInnen an den jeweiligen Abteilungen (IT-Zugang, DECT, Vidierungsfunktion, …) überprüft und bewertet werden? Klar ist, dass das KPJ für die Basisausbildung nur dann angerechnet werden sollte, wenn eine qualitative Aufwertung des KPJ flächendeckend sichergestellt ist.
In der zukünftigen Sonderfach-Grundausbildung für Allgemein- und Familienmedizin sind sechs Monate Innere Medizin und sechs Monate Allgemein- und Familienmedizin vorgesehen, letzteres kann in Lehr(gruppen)praxis, Lehrambulatorium oder in einer „Zentralen Ambulanten Erstversorgung“ absolviert werden. Diese Fachauswahl trägt wohl der Überlegung Rechnung, einen möglichst frühen Kontakt mit der
hausärztlichen Arbeitsrealität herzustellen. Sie ermöglicht eine realistische Einschätzung der zukünftigen Tätigkeit und kann die TurnusärztInnen bei ihrer individuellen Prioritätensetzung in Bezug auf die Ausbildungsinhalte während des Spitalsturnus unterstützen. Diese Absicht wird jedoch durch die Regelung verwässert, dass die sechs Monate auch in einer „Zentralen Ambulanten Erstversorgung“ (z. B. eine
Allgemeinmedizinische Erstambulanz oder eventuell auch eine Zentrale Notaufnahme) verbracht werden können. Wenngleich ein solcher Ausbildungsteil wertvoll für zukünftige AllgemeinmedizinerInnen ist, wäre im Rahmen einer zukünftigen Ärztegesetzesnovelle eine Verlegung dieser maximal sechs Monate in die Sonderfach-Schwerpunktausbildung im Tausch gegen sechs Monate echte Lehrpraxis sicherlich überlegenswert.
Die verbleibenden 21 Monate werden noch vom Gesundheitsminister per Verordnung festgelegt. Hier sollte der aktuelle Fächerkanon des Spitalsturnus nicht blind übernommen, sondern eine Re-Evaluation der Fächer erfolgen.
Entscheidend für diese Fächerauswahl wäre die Relevanz der Krankheitsbilder für den hausärztlichen Alltag und die Diagnostik und Therapie genau dieser Krankheitsbilder auf den jeweiligen Abteilungen. Es hätte z. B. wenig Sinn, wenn eine fachspezifische Erkrankung zwar häufig in der Hausarztpraxis vorkommt, aber kaum in der spezialisierten Spitalsabteilung, an der die Ausbildung stattfindet (und umgekehrt). Laut dem Gesetzestext dürfen grundsätzlich Rotationen im Ausmaß von maximal sechs Monaten auch bei niedergelassenen SpezialistInnen absolviert werden, deren Tätigkeitsprofil dem der zukünftigen HausärztInnen wahrscheinlich näherkommt. Leider gibt es dafür jedoch zumindest derzeit keine Finanzierung, weshalb diese Möglichkeit bisher nur in Einzelfällen zur Verfügung steht.
Jedenfalls sollte die Fächeraufteilung auch wieder ausreichend Wahlmöglichkeiten bieten und sinnvolle und realistische Rasterzeugnisse zu den einzelnen Fächern erstellt werden.
An die Sonderfach-Grundausbildung schließt sich die Schwerpunktausbildung in der Hausarztpraxis an. Hier ist ein Ausbau auf maximal 18 Monate geplant (siehe Infobox). Um ein möglichst breites Spektrum des hausärztlichen Tuns kennenzulernen, sollte dieser Ausbildungsabschnitt möglichst unbürokratisch auf mehrere Lehrarztpraxen verteilt werden können.
Auch ein Wechsel über die Bundesländergrenzen hinweg sollte niederschwellig möglich sein. Hier bedürfte es weiterer organisatorischer Maßnahmen, da die Anstellung der LehrpraktikantInnen z. T. über die Spitäler (Salzburg), z. T. über die Lehrpraxisinhaber selbst (Steiermark) erfolgt.
Mit Spannung bleibt abzuwarten, was der Gesundheitsminister mit der Einführung „bestimmter, gesonderter Ausbildungseinheiten zum vertieften Kompetenzerwerb“ (Ärztegesetz §7 Abs. 1 Z. 2) im Rahmen der Sonderfach-Schwerpunktausbildung beabsichtigt. Hier hat Salzburg mit dem Begleitlehrgang Allgemeinmedizin und dem Mentoring-Projekt bereits Pionierarbeit geleistet und es ist zu hoffen, dass ähnliche, praxisrelevante Programme im Rahmen der Verordnung auf ganz Österreich ausgerollt werden.
Als Vertreter der TurnusärztInnen des Bundeslandes Salzburg begrüßen wir die geplante Gleichstellung der Ausbildungen und sehen sie als Chance zur Verbesserung der Ausbildungsqualität zum Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin.
Denn obgleich die Symbolkraft dieses Schrittes außer Zweifel steht, so ist es nicht der (Facharzt-)Titel an sich, sondern die Rahmenbedingungen der Ausbildung und der anschließenden Tätigkeit, welche die Strahlkraft eines Faches ausmachen und es für zukünftige Generationen an ÄrztInnen und Ärzten reizvoll machen.
Alle aktuellen Informationen und was es zu beachten gilt:
www.aeksbg.at/facharzt-fuer-allgemeinmedizin