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Einsichtsrechte von Angehörigen in Patientenakten

Serie "Von Rechts wegen...". Veritable Rechtsinformationen direkt aus der Kammer.

Von Mag. Sergio Magnus | med.ium 1+2/2025

Ärzte haben grundsätzlich die Pflicht, über alle Geheimnisse, die ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertraut oder bekannt geworden sind, gegenüber jedermann Stillschweigen zu wahren (Vgl § 54 Abs 1 ÄrzteG).

Die ärztliche Verschwiegenheitspflicht bildet eine essenzielle Grundlage für das Vertrauen zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin. Das Geheimhaltungsinteresse stützt sich auf zahlreiche gesetzliche Regelungen und bildet zudem eine wichtige nebenvertragliche Verpflichtung des Behandlungsvertrages. Eine Durchbrechung kann nur in bestimmten Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, wie z.B. bei Einwilligung des Patienten/der Patientin in die Offenbarung bestimmter Geheimnisse, die gesetzliche Pflicht zur Meldung bei begründetem Verdacht auf Kindesmissbrauch, Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen wie der Rechtspflege, etc (Vgl § 54 Abs 2 ÄrzteG).

Die Geheimhaltungspflicht hat darüber hinaus keine zeitliche Beschränkung und besteht nach herrschender Lehre sowohl während der Behandlung als auch danach fort, so auch im Falle des Todes des Patienten/der Patientin.

Immer wieder kommt es vor, dass nahe Angehörige oder Erben bereits verstorbener Patienten/Patientinnen Einsicht in die Krankenunterlagen bzw. Aufzeichnungen des Arztes/der Ärztin verlangen, um etwa Fragen zur Todesursache zu klären oder Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Der Arzt/die Ärztin hat im Einzelfall abzuwägen, ob das Geheimhaltungsinteresse noch gegeben oder bereits erloschen ist.

Wenn der Patient/die Patientin zu Lebzeiten ausdrücklich dem Einsichtsrecht zugestimmt hat, bleibt dieses auch nach dem Tod rechtlich wirksam und die nahen Angehörigen bzw. Erben haben einen Anspruch auf Einsicht. Sollte allerdings die Zustimmung fehlen oder bestehen Zweifel an der Einwilligung, hat das Gericht bei gerichtlicher Geltendmachung durch die nahen Angehörigen oder Erben einen (ärztlichen) Sachverständigen zu bestellen. Er/sie untersucht, ob die Verweigerung im Hinblick auf das fortwirkende Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Patienten/der verstorbenen Patientin gerechtfertigt ist oder nicht, wobei auch nur eine teilweise Berechtigung denkbar wäre (Vgl OGH 1 Ob 341/99 z).

Der OGH zielt somit auf den mutmaßlichen Willen des verstorbenen Patienten/der verstorbenen Patientin ab und billigt den nahen Angehörigen bzw. den Erben das Einsichtsrecht zu, wenn dies dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspricht (Vgl OGH 2 Ob 162/16m; OGH 1 Ob 550/84).

Patienten haben gemäß § 51 Abs 1 ÄrzteG das Recht auf Einsicht in ihre Krankenunterlagen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieses Recht lediglich die objektiven Bestandteile (z.B. Anamnese, Laborbefunde, Untersuchungsbefunde) betrifft, nicht jedoch die subjektiven Bestandteile, also die persönliche Wahrnehmung des Arztes/der Ärztin über bspw. den Charakter oder das Verhalten des Patienten/der Patientin.

Sollten demnach nahe Angehörige oder Erben einen Anspruch auf Einsicht in die Krankenunterlagen erhalten, kann dieser Anspruch nicht weiter reichen als der des Patienten/der Patientin. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (C-307/22) haben Patienten/Patientinnen sowie berechtigte Angehörige Anspruch auf eine erste kostenlose Kopie der Patientenakte, und zwar auch ohne eine spezifische Begründung.

In Bezug auf Einsicht in die Krankenakte minderjähriger Patienten/Patientinnen bedarf es einer Abwägung zwischen den Obsorgeinteressen der Eltern und dem Geheimhaltungsinteresse des minderjährigen Patienten/der minderjährigen Patientin. Inwiefern der Arzt/die Ärztin zur Verschwiegenheit gegenüber den Eltern verpflichtet ist, hängt davon ab, wer den Behandlungsvertrag abgeschlossen hat und ob der minderjährige Patient/die minderjährige Patientin entscheidungsfähig ist oder nicht.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Entscheidungsfähigkeit mit Vollendung des 14. Lebensjahres gegeben ist. Unabhängig davon hat der Arzt/die Ärztin die Entscheidungsfähigkeit, nach den konkreten Gegebenheiten zu prüfen.

Ansprechperson

Für Rückfragen steht Ihnen die Rechtsabteilung der Ärztekammer für Salzburg gerne zur Verfügung.

Mag. Sergio Magnus

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