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Medizin in Salzburg

Der Schlaf und seine Räuber

Etwa ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch im Schlaf – trotzdem ist die genaue Funktion des Schlafes nicht endgültig geklärt.

Von Dr. Alexander Kunz | med.ium 3+4/2024 | 26.4.2024

Schlafentzug gilt als Folter, bei Schlafmangel kommt es zu einem Nachlassen unserer geistigen Fähigkeiten, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie unsere Sinne sind beeinträchtigt, in bestimmten Situationen, wie etwa im Straßenverkehr, kann Schlafmangel gefährlich sein. So wird geschätzt, dass ca. 40 Prozent der Unfälle im Straßenverkehr durch Sekundenschlaf ausgelöst werden.

Üblicherweise werden auch Symptome wie eine Reduktion der Leistungsfähigkeit, Reizbarkeit und Erschöpfung beobachtet. Personen, die unter Schlafmangel leiden, zeigen neben einer starken Müdigkeit Symptome wie Stimmungsschwankungen, Störungen des Kurzzeitgedächtnisses sowie Konzentrationsschwierigkeiten. Die Reaktionsgeschwindigkeit, die Gedächtnisleistung und das Urteilsvermögen sind reduziert, was zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit führt.

Zu den langfristigen Folgen eines chronischen Schlafmangels können Beeinträchtigungen des Immun- und Herz-Kreislauf-Systems, der Psyche sowie des Stoffwechsels gehören. Zudem kann Schlafmangel zu einer vermehrten Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol führen. Diese Hormone stören in der Nacht den Stoffwechsel und können dadurch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Herzinfarkt erhöhen.

Laut Untersuchungen an der University of California in San Francisco wirkt sich Schlafmangel negativ auf das Immunsystem aus. Demnach werden Menschen, die jede Nacht nur sechs Stunden oder weniger schlafen, viermal so häufig von einer Erkältung heimgesucht wie Menschen, die länger schlafen.

Jeder Mensch benötigt sein individuelles Pensum an Schlaf, um am nächsten Morgen ausgeschlafen, erholt und energiegeladen in den Tag zu starten. Manche brauchen nur sechs Stunden Schlaf pro Nacht, andere wiederum neun oder zehn Stunden. Im Durchschnitt brauchen die meisten Erwachsenen zwischen sieben und acht Stunden Schlaf. Das individuelle Schlafbedürfnis hängt von verschiedenen Faktoren wie z. B. Alter, Geschlecht oder Lebensumständen ab.

Kinder schlafen oft über zehn Stunden, Erwachsenen ab 18 Jahren reichen sieben bis neun Stunden. Es kommt letztlich auch darauf an, wie wir die Qualität des Schlafs beurteilen – ob wir erholt aufwachen und uns fit fühlen – und nicht, wie viele Stunden wir jede Nacht schlafen.

Schlafstörungen sind sehr häufig, es wird geschätzt, dass 20 bis 30 Prozent der ÖsterreicherInnen regelmäßig an Schlafstörungen leiden, wobei Frauen häufiger als Männer betroffen sind.

Es gibt viele Ursachen und Auslöser für Schlafstörungen, die häufigsten Gründe und Risikofaktoren für schlechten Schlaf finden sich in unserem Lebensstil, in körperlichen sowie psychischen Grunderkrankungen.

Zu den häufigsten Ursachen zählt Stress: Wer unter großem beruflichen oder privaten Druck steht, ist permanent psychisch angespannt und kann auch abends meist nicht abschalten. In der Nacht kommt es dabei zu einem Kreisen der Gedanken, das uns vom erholsamen Schlaf abhält. 

„Schlafstörungen sind sehr häufig, es wird geschätzt, dass 20 bis 30 Prozent der ÖsterreicherInnen regelmäßig an Schlafstörungen leiden …“ 

Zu den Risikogruppen für Schlafmangel gehören insbesondere Schichtarbeitende, bei denen der Schlaf-Wach- Rhythmus auf Dauer durcheinandergerät, Frauen in den Wechseljahren, Ältere und Menschen mit Depressionen. Das weibliche Geschlecht spielt also auch eine Rolle für das Risiko, einen Schlafmangel zu entwickeln.

Bei der Therapie von Schlafstörungen ist, wenn möglich, eine medikamentöse Therapie zu vermeiden oder zumindest zu limitieren! Schlafmittel, insbesondere Benzodiazepine, aber auch moderne Z-Präparate, können bereits nach einer kurzen Zeit zu einer Abhängigkeit führen.

Wichtig ist es, in einem intensiven Anamnesegespräch die Ursache der Schlafstörungen zu erheben. Dabei gibt es die sogenannten „5 Punkte der Schlafmedizin“: Haben die Schlafstörungen eine psychische Ursache (z. B. Stress), eine psychiatrische Ursache (Depression, Manien), eine physikalische Ursache (Lärm, Licht, nicht geeignete Schlafunterlage), eine pharmakologische Ursache (Koffein, Medikamente) oder physiologische (etwa nach Jetlag, Schichtarbeitende)?

Entspannungsübungen wie autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen sind auch eine sehr hilfreiche Methode bei der Bekämpfung von Schlafstörungen.

Wenn sich keine eindeutige Ursache feststellen lässt, ist eine polysomnographische Abklärung im Schlaflabor sinnvoll.

Kürzlich wurde eine neue Methode von der Paris-Lodron Universität Salzburg (PLUS) in Zusammenarbeit mit dem Center for Cognitive Neuroscience (CCNS) entwickelt: ein auf künstlicher Intelligenz (KI)-basierender Algorithmus, der rein auf Basis akkurater Herzraten-Variabilitätsdaten den Schlaf präzise in vier Stadien (Wach, Leichtschlaf (entspricht Schlafstadien N1 und N2), Tiefschlaf (N3), sowie REM-Schlaf) klassifizieren kann.

Die Genauigkeit ist dabei vergleichbar mit SchlafexpertInnen, die manuelle Polysomnographie-Daten klassifizieren. Die Herzfrequenz-Variabilität wird dabei mit einem einfachen Brust- oder Arm-Sensor aufgezeichnet und liefert über die App sleep2 jeden Morgen nach wenigen Sekunden Hypnogramme und Kennwerte.

Dadurch kommt man sehr einfach und kostengünstig zu verlässlichen Daten, die vom Schlafmediziner zur genauen Analyse hergenommen werden können: Insomnien können mit diesem Tool genauer objektiviert werden, aber auch andere Erkrankungen, wie das Schlafapnoe-Syndrom, können somit frühzeitig erkannt werden.

Zudem bietet die App sleep2 digitales Schlaftraining (orientiert an der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I)) und soll so den Schlaf langfristig verbessern. Diese Art der nichtpharmakologischen Intervention ist auch das empfohlene  "first-line treatment“ in den Leitlinien zur Behandlung der Insomnie.

Zusammenfassend ist ein gesunder Schlaf sehr wichtig und ein gestörter Schlaf sollte unbedingt, wenn möglich, nicht medikamentös behandelt werden.