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Medizin in Salzburg

COP28 eine Gesundheits-COP?

Ein medizinischer Blick auf die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz. Aus unserer Serie "Umweltmedizin: Klimawandel & Gesundheit"

Die Delegation der World Medical Association (Weltärztebund) für Verhandlungswocheeins der COP28. V.l.n.r.: Dr. Johanna Schauer-Berg, Dr. Lujain Al-Qodmani, Präsidentin der WMA, Dr. Ankush Bansal, Dr. Muha Hassan

Von Dr.med.univ. Johanna Schauer-Berg, MPH | med.ium 1+2/2024 | 19.2.2024

Das Jahr 2023 war ein Jahr der Rekorde – die höchste jemals gemessene globale durchschnittliche Lufttemperatur (1), die höchsten durchschnittlichen Oberflächentemperaturen der Weltmeere (2), ein Rekordtief an Meereisfläche um die Antarktis (3) und nicht zuletzt ein neuer Rekord an CO2-Emissionen (4). 

Zu Jahresende versammelten sich erneut Vertreter aus 198 Nationen (5) auf der Conference of the Parties 28 (COP28), um 14 Tage intensiv zu darüber zu verhandeln, wie die Welt der drohenden Bedrohung durch den Klimawandel begegnen soll. Diesmal in einem Öl-Staat, Dubai, unter dem Vorsitz von Dr. Sultan Ahmed Al Jaber, Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien der Vereinigten Arabischen Emirate sowie CEO der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) – der/die ein oder andere Leser/in mag sich vielleicht noch an die mediale Berichterstattung zu dieser kontroversen Besetzung erinnern.

In der fast 30-jährigen Geschichte der UN-Klimagipfel war „Gesundheit“ lange Zeit nicht präsent. In Anbetracht der gesundheitlichen Auswirkungen durch Hitzewellen, Infektionskrankheiten, Allergien, Nahrungsmittel- und Wasserversorgungsunsicherheit, die Beeinträchtigung der psychischer Gesundheit und mehr (wir verweisen hier auf frühere Ausgaben der Umweltmedizinreihe im med.ium) ein großes Versäumnis.

Im Vorfeld der COP28 forderten daher mehr als 42 Millionen Angehörige der Gesundheitsberufe in einem von der WHO initiierten Aufruf den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und umfassendere
Klimaschutzmaßnahmen. (6)

COP28 eine Gesundheits-COP?

Die UN-Klimakonferenz COP28 stellte Gesundheit erstmals thematisch ins Rampenlicht, mit einem eigenen „Gesundheitstag“, dem ersten hochrangigen Ministertreffen im Rahmen einer COP und der Verabschiedung einer eigenen Deklaration zu Klimawandel und Gesundheit.

Health day

Traditionsgemäß werden den Verhandlungstagen einer COP thematische Schwerpunkte zugeordnet. Erstmals seit Beginn des UNFCCC wurde diesmal auch der Gesundheit ein Schwerpunkt-Tag gewidmet bzw. offiziell „Health, Relief, Recovery and Peace“. Der Tag war geprägt von zahlreichen Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen zum Thema Gesundheit und bot eine Plattform für den Austausch einer Vielzahl von Akteuren, darunter Minister, Klima- und Gesundheitsfachleute, Organisationen der Zivilgesellschaft, Jugendvertreter und Unternehmen.

Es gab fünf Schwerpunkte (7):

  1. Evidenzbasiertes Aufzeigen der Interaktionen zwischen Klimawandel und menschlicher Gesundheit
  2. Förderung von „Gesundheitsargumenten für Klimamaßnahmen“ und Kommunikation der gesundheitlichen Benefits von Klimaschutz
  3. Aufzeigen von Bedarf, Hindernissen und best practice-Interventionen zur Stärkung der Klimaresilienz von Gesundheitssystemen
  4. Anpassungsmaßnahmen zur Bewältigung der Herausforderung und Folgen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit
  5. Implementierung von Maßnahmen an der Schnittstelle zwischen Gesundheit und Humanitärer Soforthilfe, Wiederaufbau und Frieden. 

Health and Climate Ministerial

Eine weitere Neuerung in der Geschichte des UNFCCC war, dass erstmals ergänzend ein hochrangiges Ministertreffen zum Thema Gesundheit auf einer COP abgehalten wurde. 49 Gesundheitsminister und zahlreiche hochrangige VertreterInnen aus Gesundheitsministerin sowie andere RegierungsvertreterInnen aus etwa 110 Ländern nahmen an dem Treffen teil.

Die Perspektive von Ärztinnen und Ärzten wurde von Dr. Lujain Al-Qodmani, Präsidentin der Weltärztebundes vertreten. Dr. Al-Quodmani war nicht nur die einzige geladene Repräsentantin der an vorderster Front mit den Gesundheitsfolgen des Klimawandels konfrontierten Gesundheitsberufen, sie war auch die einzige geladene Rednerin einer NGO.

Deklaration zu Klimawandel und Gesundheit

Auf Initiative des Gastgeberlandes der COP28, den Vereinigten Arabischen Emiraten, wurde in Kooperation mit der WHO eine Deklaration zu Klimawandel und Gesundheit verabschiedet. Erstellt wurde sie von Repräsentanten folgender Staaten: Brasilien, Malawi, dem Vereinigten Königreich, der USA, den Niederlanden, Kenia, Fidschi, Indien, Ägypten, Sierra Leone und Deutschland. (8) 143 Länder (9), die in Summe mehr als 75 % der Weltbevölkerung, der globalen Emissionen und des globalen BIP repräsentieren, hatten die Deklaration bis zum Ende der COP unterzeichnet. Auch Österreich ist unter diesen Staaten vertreten.

Der Wortlaut der Deklaration lässt einen holistischen Blick auf Gesundheit erkennen, Gesundheitsfolgen des Klimawandels inklusive der Auswirkungen auf die psychische Gesundheit werden explizit berücksichtigt. Die gesundheitlichen Benefits von Klimaschutz-Maßnahmen und die Notwendigkeit zusätzlicher Finanzierung werden hervorgehoben. Wonach man in dem Text aber vergeblich sucht, ist eine Stellungnahme zur primären Ursache der durch den Menschen verursachten Treibhausgase: den fossilen Energieträgern. Diese werden in keiner Phrase erwähnt. Es ist zu vermuten, dass das wohl als Kompromiss akzeptiert wurde, um die Breite der Befürwortung der Deklaration zu unterstützen. Verbindlichkeiten für die unterzeichnenden Nationalstaaten sind aus der Deklaration ebenfalls nicht zu erwarten.

Finanzierung für Klima-Gesundheitsmaßnahmen

Aktuell sind die Finanzmittel, die für Projekte im Klima-Gesundheits-Nexus zur Verfügung stehen, minimal. Im Rahmen des World Climate Action Summits wurden finanzielle Zusagen durch diverse Akteure für die Finanzierung und Umsetzung von Klima- und Gesundheitsmaßnahmen im Umfang von einer Milliarde US-Dollar mobilisiert. Zu den Geldgebern gehören Organisationen wie der Global Fund, die Rockefeller
Foundation, der Green Climate Fund, Bloomberg Philanthropies, der Wellcome Trust und die Asiatische Entwicklungsbank.

Gesundheit in den Klimaverhandlungen?

Jede COP ist geprägt von mehreren parallel ablaufenden Verhandlungssträngen im Rahmen der UN-Rahmenklimakonvention und insbesondere auch zur Umsetzung des Paris Abkommens. Der wohl wichtigste auf der COP28 verhandelte Konsens und der gleichzeitig übergreifende Beschluss der COP28 ist das Abschlussdokument des „Global Stocktake“, bestehend aus 21 Seiten Text. Der Global Stocktake ist so zu
sagen eine „globale Bestandsaufnahme“, mit der die Fortschritte bei der Umsetzung des Pariser Abkommens überprüft werden. Es sollen Wege aufgezeigt werden, um die globale Erwärmung auf das zuvor im Paris Abkommen vereinbarte Ziel von höchstens 2 Grad Ceslius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Im Abschlusstext finden sich einige Verweise mit Bedeutung für die Gesundheit. Es wird eindeutig auf das Menschenrecht auf Gesundheit und auf das Menschenrecht auf Leben in einer sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt verwiesen. Was jedoch erneut ausblieb, war eine Einigung auf die notwendigen Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen und damit diese anerkannten Rechte umzusetzen.

Ein Schritt nach vorne war, dass im besagten Abschlussdokument eine Abkehr von der primären Ursache des Klimawandels, dem Verbrennen fossiler Energieträger, erstmals benannt wurde. Weiters wurde der Fokus im Vergleich zu vorangegangenen Formulierungen mit Beschränkung auf Kohle auf die Einbeziehung aller fossilen Brennstoffe erweitert. Nach mehreren Anläufen wurde jedoch als Konsens nicht „fossil
fuel phaseout“ (wie auch von Seiten der EU und damit Österreich unterstützt), sondern die deutlich abgeschwächte Formulierung „transitioning away from fossil fuels“ angenommen.

Weiters wurden Schlupflöcher in Bezug auf die Abhängigkeit von Technologien wie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung und u.a. Gas als „Übergangskraftstoff“ im Text belassen (10). Aus
gesundheitlicher Sicht hat dieses Vorgehen zur Folge, dass es eine weiterhin insuffiziente Emissionsreduktion erwarten lässt. Darüber hinaus führt der potentielle Einsatz von Kohlenstoffabscheidung und -speichertechnologien (die aktuell technisch auch noch nicht ausreichend entwickelt und auf Sicherheit getestet sind) auch dazu, dass auf entscheidende Gesundheitsbenefits durch Reduktion der Luftverschmutzung verzichtet wird.

Nach Angaben der WHO ist Luftverschmutzung jedes Jahr für sieben Millionen vorzeitige Todesfälle und viele weitere Gesundheitsrisiken verantwortlich. Ein rascher und ehrgeiziger Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist daher entscheidend für die Gesundheit.

Was ist die Gesundheits-Bilanzder COP28?

Schlägt man im Duden das Wort „Jein“ nach, findet man tatsächlich eine Definition: „drückt eine Unentschiedenheit der sprechenden Person aus, die ich nicht zu einem Ja entschließen kann“.

Es ist nicht zu bestreiten, dass nach mehreren Verhandlungsjahrzehnten, die COP28 das politische Profil des Nexus Klima-Gesundheit geschärft hat und entscheidend dazu beitrug, die Gesundheit in die globale Agenda zum Klimawandel einzubeziehen. Gesundheitsaspekten wurde mehr Aufmerksamkeit geboten als je zuvor,in absoluten Zahlen war die Teilnahme von Gesundheitsministern und hochrangigen
Regierungsbeamten aus dem Gesundheitsbereich höher als bei jeder vorangegangenen COP. Es gab in den Verhandlungen einige Schritte in die richtige Richtung, aber ausreichend um die Gesundheit unserer
Patienten langfristig vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und die Resilienz der globalen Gesundheitssysteme zu stärken, waren sie jedoch bei weitem nicht. Die Frage, ob die COP28 aus Gesundheitssicht ein Erfolg war, ist somit nur mit einem „Jein“ zu beantworten.

„Die Frage, ob die COP28 aus Gesundheitssicht ein Erfolg war, ist somit nur mit einem „Jein“ zu beantworten.“