Medium Digital » Newsdetail
Medizin in Salzburg

Allergien und Klimawandel

Allergien und „Grüne Krankenhäuser“ in Zeiten des Klimawandels. Ein Interview mit zwei Experten. Aus unserer Serie "Umweltmedizin: Klimawandel & Gesundheit"

Von Dr.med.univ. Johanna Schauer-Berg, MPH – Umweltreferentin der Ärztekammer Salzburg, Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, PMU Salzburg | Mag. Christoph Schwalb | med.ium 3+4/2023 | 5.5.2023


Interview Dr. Thomas Hawranek

med.ium: Welche Veränderungen aufgrund des Klimawandels zeigen sich bei Allergien insbesondere durch Aeroallergene?

Dr. Thomas Hawranek: Einige Studien scheinen zu belegen, dass es zwar durch die Veränderungen aufgrund des Klimawandels zu schwereren Verlaufsformen von Inhalationsallergen, nicht aber zu einer Zunahme der Prävalenz kommt. So wird bei zunehmenden Außentemperaturen eine Zunahme von Asthmafällen in den Notfallambulanzen beobachtet. Steigende Temperaturen führen zu einem vermehrten Aufkommen von Pollen, aber auch Pilzsporen in der Luft, was naturgemäß zu einer Erhöhung des Risikos führt, allergischen Atemwegserkrankungen zu entwickeln. Durch Zusammenwirken hoher Temperaturen mit einer erhöhten Pollenlast wird dann auch die Toxizität der Luftverschmutzung (LV) gesteigert, was wiederum die allergene Wirkung von Aeroallergenen erhöht. Vermehrt auftretende Feuersbrünste sorgen für zusätzliche LV, häufigere Überflutungen können zu einer Zunahme von Schimmelpilzen und Hausstaubmilben führen und damit zu einer erhöhten Allergierate einschließlich Asthma bronchiale.

med.ium: Welche Rolle spielt Luftverschmutzung, beispielsweise Feinstaub und bodennahes Ozon, in diesem Kontext?

Dr. Hawranek: Luftschadstoffe und Aeroallergene interagieren. So werden entzündliche Prozesse der Atemwege durch Luftschadstoffe wie z. B. Ozon, Stickoxide und Feinstaub verstärkt. Einerseits gibt es Beobachtungen, die für negative Auswirkungen der LV (bes. Diesel) auf die Entwicklung von Asthma sprechen. So wurden etwa 1/4 der jährlichen Asthmafälle im Kindesalter den Auswirkungen der LV zugeschrieben. Andererseits wieder sprechen die vielen und schweren Fälle von Asthma z. B. in Neuseeland, wo es kaum LV gibt, gegen einen solchen Zusammenhang. Auch war es ausgerechnet zu einer Zeit, als die LV durch Kohleverbrennung rückläufig war, zu einer besonders eindrücklichen Zunahme von Asthma gekommen.

Es wird angenommen, dass die Konzentration von Feinstaub und Ozon infolge Erderwärmung und Luftstagnation zunimmt. Die Zunahme von bodennahem Ozon wurde in einer Studie mit einer erhöhten Allergenität, also sozusagen „Aggressivität“, von Birkenpollen in Verbindung gebracht. Auch die Konzentration der Pollen nimmt zu. Durch die Ausdehnung der Pollenflugsaison (Haselblüte oft schon im Dezember) mit Zunahme der Allergenität der Pollen im Verein mit einer Zunahme der Biomasse muss es zwangsläufig auch zu höheren Sensibilisierungsratern und damit Allergiepatienten kommen. Durch Bevorzugung gebietsfremder Pflanzen wie Ragweed mit sehr allergenen Pollen kommen zusätzliche Allergenquellen hinzu.

med.ium: Was ist Thunderstorm Asthma?

Dr. Hawranek: Mit dem globalen Anstieg der Temperaturen kam es zur Zunahme der Zahl und der Schwere von Gewittern kommt es zum Auftreten vermehrter und schwererer Asthmaattacken und auch allergischer Rhinitis/Rhinokonjunktivitis. Als Entstehungsmechanismus stellt man sich vor, dass die vor einem Gewitter aufgewirbelten Pollen und Pilzsporen durch den infolge erhöhter Luftfeuchtigkeit erhöhten  osmotischen Druck und die elektrostatische Aufladung platzen, wodurch kleinere Pollenfragmente tiefer in die Atemwege vordringen und dort Bronchospasmen hervorrufen können, auch bei Patienten, die zuvor vielleicht nur mit einer Rhinokonjunktivitis symptomatisch waren. Dies kann auch dramatische, mitunter letale Folgen haben. So war es in Australien nach einem Gewitter zu einer Zunahme der Notaufnahmen mit Atembeschwerden um 672% gekommen mit zehn tödlichen Verläufen. 

med.ium: Sind auch Auswirkungen auf Nahrungsmittel-Allergien zu erwarten?

Dr. Hawranek: Es wird spekuliert, dass es aufgrund von Dürre respektive Überschwemmungen zu verminderter Lebensmittelproduktion kommen könnte und dass deshalb zunehmend auch hierzulande auf Insekten als Nahrungsmittel zurückgegriffen wird, die als proteinreiche Nahrung wiederum zu allergischen Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock führen können.

med.ium: Haben Sie Empfehlungen für die ärztliche Praxis und Patientenberatung? Dr. Hawranek: Von Experten zu diesem Thema wird eine „Klimasprechstunde“ für Patienten angeboten, die dort sozusagen für sich selbst und den Planeten in Sachen Klimaschutz und Klimaresilienz unterrichtet werden. Nachdem in Europa etwa 5,2% (weltweit 4,6%) der Treibhausgase aus dem Gesundheitssektor entstehen, wird das als, wenn man so will, moralische Verpflichtung empfunden. Ärzt*innen auch in der Praxis könnten hier im gegebenen Rahmen durchaus auch eine Vorbildfunktion übernehmen bzw. als Impulsgeber wirken. Auf ‚höherer‘ Ebene werden Maßnahmen wie entsprechende Lehrpläne und Fortbildungen, sog. Hitzeaktionspläne, stadtplanerische Überlegungen etc. gefordert. Daneben soll es in Zukunft (neben den bereits bestehenden Pollenwarndiensten) Frühwarnsysteme geben, die z. B. auf Gewittergefahren hinweisen o. ä.


Mehr Infos:

www.pollenwarndienst.at 
https://bit.ly/401haiN (Polleninformation Bundesland Salzburg)

Allergien und Klimawandel:

  • Klimaveränderungen, hoher CO2-Gehalt, Trockenheit, Luftschadstoffe wirken als Stressfaktoren auf Pflanzen
  • Es kommt zu
    • Veränderung der Pollenflugsaison
    • Veränderung der Pollenkonzentration in der Umgebungsluft
    • Ausbreitung von neuen allergenen Arten z. B. Ambrosia
    • Steigerung der Pollenallergenität
  • Thunderstorm Asthma: gehäuftes Auftreten teils schwerer Asthmaanfälle im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Gewittern
  • Kumulativ ist mit einer Zunahme der Häufigkeit von Atemwegsallergien, sowie mit einer Veränderung der Zeitspanne und Symptomstärke von allergischen Beschwerden zu rechnen
  • Durch stärkere Allergenexposition steigt die Möglichkeit einer Sensibilisierung.(1)

Literatur/Quellen:
1 Luschkova, D., Traidl-Hoffmann, C. & Ludwig, A. Klimawandel und Allergien. Allergo J 31, 44–53 (2022). https://doi.org/10.1007/s15007-022-5030-y

Green Hospitals

Die Barmherzigen Brüder Österreichs haben in ihren „grünen Krankenhäusern“ auf Basis der EMAS-Verordnung (Eco-Management and Audit Scheme) ein einheitliches Umweltmanagementsystem entwickelt und eingeführt. Sie sind der erste österreichische Gesundheitsdiensteanbieter mit EMAS-Zertifizierung aller Standorte und wurden zudem mit dem „Green Brands Gütesiegel“ für vorbildliche ökologische
Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die Organisation und Koordination dieses Systems erfolgt zentral durch deren Umweltbeauftragten Albin Knauder, MSc.

Erfolgreich umgesetzte Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen der Barmherzigen Brüder für eine positive Klima- und Umweltbilanz

  • Erster österreichischer Gesundheitsdiensteanbieter mit EMAS-Zertifizierung aller Standorte
  • Bereichsübergreifende Umweltteams: Aktive Einbindung der Mitarbeiter*innen
  • Grüner Strom und Dekarbonisierung (z. B. durch Photovoltaikanlagen)
  • Umstellung auf Green-IT (etwa durch weniger stromverbrauchende aber schnellere „statische“ SSDs: moderne Speicher statt herkömmlicher energieintensiver Magnet-Festplatten mit beweglichen Teilen)
  • Umwelt- und Klimaschutz im OP (Recycling ausgewählter, bei Operationen verwendeter Einmalprodukte)
  • Multiplikator für Umwelt- und Klimaschutz: Auszeichnungen, Vernetzung und Transparenz

„Um unserer Umwelt und dem Thema Nachhaltigkeit gerecht zu werden, hat sich die Provinzverwaltung der Barmherzigen Brüder 2018 entschieden, ein Umweltmanagementsystem nach EMAS III an allen Standorten der Barmherzigen Brüder in Österreich einzuführen. Damit wird den internen Führungsgrundsätzen entsprochen, wo unter anderem festgelegt ist: ,Wir verwenden die verfügbaren Ressourcen verantwortungsbewusst, nachhaltig und wirtschaftlich‘.“ (Albin Knauder, MSc, Umweltbeauftragter Barmherzige Brüder Österreich)

Green Hospitals

  • CO2-Fußabdruck: Maß für die Gesamtmenge der Kohlendioxidemissionen (CO2 ), die direkt und indirekt durch eine Tätigkeit verursacht oder über den Lebenszyklus eines Produkts akkumuliert werden.(2)
    • Scope 1: direkte Emissionen am Standort (z. B. Kraftstoffverbrennung, Unternehmensfahrzeuge, Kühlmittel etc.)
    • Scope 2: indirekte Emissionen aus zugekaufter Energie (z. B. Strom, Wärme)
    • Scope 3: alle indirekten Emissionen aus der Wertschöpfungskette (z. B. zugekaufte Waren und Dienstleistungen, Abfallentsorgung)
  • 71% des CO2-Fußabdruckes des globalen Gesundheitssektors kommt aus Scope 3.(3)
  • CO2-Fußabdruck durch Gesundheitsleistungen in Österreich (2014): 6,8 Megatonnen (Mt) – das entspricht fast 7% des nationalen CO2-Fußabdruck.(4)
  • Krankenhäuser verursachen fast 1/3 der CO2-Emissionen (2010: rd. 2,5 Mt).(4)
  • Medizinische Produkte/Arzneimittel & Energiekonsum sind in Krankenhäusern am klimarelevantesten.(4)

 

Literatur/Quellen:

2 Wiedmann, T. and Minx, J. (2008). A Definition of 'Carbon Footprint'. In: C. C. Pertsova, Ecological Economics Research Trends: Chapter 1, pp. 1-11, Nova Science Publishers, Hauppauge NY, USA.

3 HealthCaresClimateFootprint_092319.pdf (noharm-global.org) [04.04.2023]

4 Ulli Weisz, Peter-Paul Pichler, Ingram S. Jaccard, Willi Haas, Sarah Matej, Peter Nowak, Florian Bachner, Lena Lepuschütz, Andreas Windsperger, Bernhard Windsperger und Helga Weisz (2019).
Der Carbon Fußabdruck des österreichischen Gesundheitssektors. Endbericht. Klima- und Energiefonds, Austrian Climate Research Programme, Wien.

Interview mit Albin Knauder, MSc:

med.ium: Was ist der ökologische Fußabdruck?

Albin Knauder: Der ökologische Fußabdruck eines Krankenhauses wie jenen der Barmherzigen Brüder ist im Allgemeinen sehr groß, weil er viel Energie verbraucht und großer Ressourcen bedarf. Wir versuchen im Zuge unsere Umweltmanagement-Systems jedoch zu reagieren und Reduktionen zu bewirken. Wir haben die Scope 1 und Scope 2-Emissionen abgebildet und sind gerade dabei, die Scope 3-Emissionen (Thema Mobilität, Lebensmittel und eingesetzte Materialien – Produktion bis zur Entsorgung eines Artikels) zu bewerten. Das ist bei uns der ökologische Fußabdruck und wir versuchen, den CO2-Ausstoß eines Krankenhauses zu reduzieren. So spielt auch das Thema Dekarbonisierung eine große Rolle und wir schauen, wie versorgen wir unsere Häuser, welche – fossilen oder nichtfossilen – Energieträger setzen wir ein? Wir sind sehr interessiert daran, erneuerbare Energieträger einzusetzen. Wir setzen auf neue intelligente Technologien bei unseren Anlagen. Gerade sind wir dabei, bei einem unserer Häuser eine Wasserstofflösung für ein Krankenhaus umzusetzen.

med.ium: Welche Bereiche der Patientenversorgung haben einen besonders großen CO2-Fußabdruck?

Knauder: Ein besonders hoher Fußabdruck ist in den intensivmedizinischen Abteilungen vorzufinden, die einen sehr intensiven Energieverbrauch haben. Intensivmedizin, die OP-Räume, aber auch die Küchen sind die Bereiche, die einen hohen Energieverbrauch haben. Gerade auch beim Essen spielen regionalen Zutaten eine Rolle, das ist den Patienten wichtig, die uns bewerten und sich fragen: „Hat das Essen geschmeckt?“ Ein großer Punkt ist zudem die Entsorgungsmenge pro Patient.

med.ium: Welche Maßnahmen sind besonders effektiv, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren?

Knauder: Reduzieren kann man nur, wenn man – Beispiel Lebensmittel – regionale Produkte verwendet, wo der Transportweg sehr kurz ist. Beim Thema Mobilität setzen wir auf Elektrofahrzeuge und unsere Mitarbeiter mit ein Klimaticket zu locken, mit dem sie mit den Öffis zur Arbeit kommen. Bei den Lieferanten ist wichtig, dass sie nicht zu weit anfahren und einen vernünftigen CO2-Verbrauch haben.

med.ium: Ist eine CO2-neutrale Patientenversorgung aktuell möglich/umsetzbar? (Wenn ja – wie? Wenn nein – worum nicht?)

Knauder: Eine neutrale Patientenversorgung ist – je nachdem, welchen Scope-Wert man betrachtet – bedingt möglich. Warum? Weil wir an verschiedenen Standorten CO2-neutrales Narkosegas einsetzen und dieses auch wieder recyceln, wir nutzen Energie aus Wasserkraft – aus diesen Gesichtspunkten: ja. Wenn wir allerdings die Mobilität und das Essen hinzunehmen, ist eine CO2-neutrale und gute Patientenversorgung, so wie wir sie gewährleisten wollen, derzeit nicht möglich. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Wenn man zu Scope 1 und 2 noch Scope 3 hinzunehmen möchte zu einer nachgelagerten
Patientenversorgung, ist das momentan nicht möglich.

med.ium: Haben Sie Empfehlungen für die Praxis? Welchen ersten Schritt würden Sie empfehlen, um den Fußabdruck in der eigenen Praxis zu reduzieren?

Knauder: Ich bin bei „Gesundheit Österreich“ [Gesundheit Österreich GmbH (GÖG): nationales Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen sowie zentrale Stelle für Gesundheitsförderung der Republik Österreich; Anm. d. Red.] Berater und gerade im Bereich Apotheken und niedergelassene Ärzte gibt es vieles, was ein Arzt machen kann. Zum einem die Frage der Energie: viele Niedergelassene sind in einem Haus eingemietet, auf dessen Energieversorgung er keinen Einfluss hat, aber er kann etwas bei der Energieeffizienz einiges bewirken. Zum Beispiel bei den Schaltzeiten der der Geräte, der Lüftung und der Beleuchtung – schließlich kostet auch sinnloser Verbrauch wie unnötiger Stand-by Energie. Bei der Beschaffung, beim Einkauf kann man auf umweltfreundliche Labels achten. Wenn man Energie sparen oder das Thema CO2 beachten will, gibt es auch im niedergelassenen Bereich viele Möglichkeiten.


Mehr Infos:

www.barmherzige-brueder.at/umwelt/umweltbilanz-2022-ausblick-2023